Totgekuesste leben laenger
Schultern, doch der kräftige Wind kühlte sie gleich wieder und peitschte mir das Haar in die Augen. Die Schwarzflügel waren zunächst verwirrt über dem Steg aufgeflogen, aber die größten unter ihnen folgten uns schon. Meine Unruhe wuchs, als ich meinen Blick den Wasserskiläufern zuwandte.
Bill wirkte, als wüsste er, was er da tat, genau wie das Mädchen hinter unserem Boot. Wenn die beiden keine schwarzen Engel waren und der Typ in der grauen Badehose auch nicht, blieben noch drei Möglichkeiten, von denen zwei in meinem Boot saßen. Ich widerstand dem Bedürfnis, an dem schwarzen Stein unter meinem Top herumzufriemeln, und hoffte inständig, dass Barnabas mich nicht ins falsche Boot gesetzt hatte. Das Bikinimädchen trug eine Kette um den Hals.
»Kannst du gut Wasserski laufen?«, rief ich ihr zu. Ich wollte sie reden hören, um sie besser einschätzen zu können.
Lächelnd drehte sie sich um und hielt sich dabei die blonden Haare zurück. »Ganz okay«, antwortete sie und beugte sich vor, damit ich sie über den Motorenlärm hinweg hörte. »Meinst du, sie fliegt gleich hin? Ich sterbe, wenn ich nicht bald mal an der Reihe bin.«
Mein Lächeln gefror; ich hoffte, dass sie da nicht gerade ihre eigene Zukunft vorausgesagt hatte. »Kann sein. Jetzt kommt doch gleich die Rampe.« »Vielleicht hab ich ja Glück.« Ihr Blick fiel auf meine lila Haarspitzen und wanderte dann zu meinen Totenkopfohrringen. »Ich bin Susan «, stellte sie sich vor.
»Äh, Madison«, erwiderte ich und klammerte mich mit einer Hand an der Bootswand fest, um nicht mein Gleichgewicht zu verlieren. Um sich richtig zu unterhalten, war es zu windig, und während Susan sich wieder dem Mädchen in unserem Kielwasser zuwandte, nahm ich unsere Fahrerin unter die Lupe. Das zierliche Mädchen hinter dem Steuer besaß eine beneidenswerte schwarze Mähne, lang und dicht, die hinter ihr herflatterte und ihre kleinen Ohren und kräftigen Wangenknochen entblößte. Gelassen blickte sie geradeaus. Mit ihren kräftigen Schultern und dem schlanken Körper sah sie genauso fit wie attraktiv aus. Ihr Hawaii-Oberteil leuchtete so grell in der Sonne, dass ich mir wünschte, ich hätte eine Sonnenbrille aufgesetzt.
Mein Blick wanderte über das Wasser zu dem roten Boot, das fünfundzwanzig Meter steuerbords von uns fuhr. Barnabas schien sich gerade mit dem Jungen im blauen T-Shirt zu unterhalten. Der Wind drehte, als wir auf die Rampe zuhielten, und Susan beugte sich vor. Ihr langes Haar wehte mir ins Gesicht, bis sie es festhielt. Die Schwarzflügel hatten aufgeholt. Allesamt. »Wie lange bleibst du noch hier?«, fragte sie. »Ähm, nicht mehr so lange«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »In zwei Wochen fängt bei mir die Schule wieder an.«
Susan nickte. »Ja, bei mir auch.«
Nervös rutschte ich auf dem gischtbespritzten Plastik hin und her. Eigentlich sollte ich die begeisterte Zuschauerin mimen, aber am liebsten hätte ich nur die Fahrerin angeschaut. Keine Sterbliche hatte das Recht, so schön zu sein. Wenn ich nur genug Mumm aufbrachte, mit ihr zu reden, dann könnte ich womöglich herausfinden, ob sie vielleicht gar keine war. Und was, wenn sie keine ist, Madison?, dachte ich und wurde immer nervöser. Barnabas konnte ich jetzt nicht mehr Bescheid geben. Vielleicht war das mit dem Aufteilen doch keine so gute Idee gewesen. »Meine Eltern haben mich hergeschickt«, erzählte Susan und beanspruchte damit wieder meine volle Aufmerksamkeit. »Ich musste bei meinem Job alles stehen und liegen lassen«, fuhr sie mit einem entnervten Augenrollen fort. »So verliere ich ein ganzes Monatsgehalt. Ich arbeite bei einer Zeitung und mein Vater wollte nicht, dass ich den ganzen Sommer nur auf den Computerbildschirm starre. Die behandeln mich echt, als wäre ich zwölf.«
Ich nickte. Meine Gesichtszüge erstarrten, als eine schwarztriefende Membran, ungefähr so groß wie ein Drachen, zwischen den Booten hindurchsegelte, als ständen sie still. Ich sah zu Barnabas; selbst von hier aus konnte ich sein Stirnrunzeln erkennen. Immer übermütiger glitten die Schwarzflügel mal über, mal unter Wasser neben uns her und kamen dabei immer näher. Meine Anspannung wuchs und wuchs. Sie stieg von meinen Füßen auf, bis sie den ganzen Körper ergriffen hatte.
Susan stand auf und wankte auf den Bug zu, um sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Plötzlich durchzuckte mich eine Welle von Sorge. Widerwillig ließ ich mein Amulett los, um mir die Hand auf den
Weitere Kostenlose Bücher