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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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zu sehr. Ich krabbelte rückwärts, kam auf die Füße und versuchte zu verstehen, was passiert war. Ich stieß mit dem Rücken an eine dicke Säule, die ein weißes Vordach stützte. Mit offenem Mund blieb ich stehen. Ich befand mich im Freien, auf einer Veranda aus schwarzem Marmor, der von goldenen Adern durchzogen war. Kein Geländer trennte sie von dem Abhang, der hinunter zu einem schmalen Strand führte. Die Sonne stand kurz über dem Horizont, aber die kühle, klamme Luft schien nicht zu dem Sonnenuntergang zu passen. Nein, die Sonne ging auf, über einem ruhigen Meer. Und als ich die kärglichen Pflanzen mit ihren kleinen harten Blättern betrachtete - wie geschaffen, um Dürreperioden zu überstehen -, begriff ich, dass ich irgendwo am anderen Ende der Welt war.
    Das Geräusch von Schritten riss mich aus meinen Überlegungen. Es war Nakita, die mich jedoch ignorierte. Ihre Flügel waren verschwunden und sie stand ruhig neben Kairos, der an einem kleinen Tisch mit alten Büchern und einem Frühstückstablett saß. Der schwarze Zeitwächter hatte eine lockere Robe an, wie Ron sie normalerweise trug, und er wirkte jung, unglaublich kultiviert und elegant, groß und erhaben. Sein ruhiges Gesicht strahlte zufriedene Erwartung aus.
    Ängstlich blickte ich mich um, zu einem niedrigen Gebäude, das in den Abhang hineingebaut worden war und dessen geöffnete Fenster die Elemente einließen. Ein Luftzug wehte die Vorhänge ins Haus hinein und wieder heraus. Ich könnte hier sterben und mein Dad würde es nie erfahren. »Das ist dein Haus, oder?«, flüsterte ich und der Wind trug meine Worte zu Kairos.
    Lächelnd stand er auf und kam auf mich zu. Ich war tot. Ich war sooo was von tot.

12
    »Wie überaus scharfsinnig«, bemerkte Kairos. Seine Stimme war genauso unnachgiebig wie sein Gesichtsausdruck.
    Meine gelben Sneakers quietschten, als ich mich umdrehte, um wegzurennen. Doch wohin hätte ich laufen sollen? Mit einer pfeilschnellen Bewegung war Nakita schon bei mir und ich zuckte zur Seite, damit sie mich nicht zu fassen bekam. Sie verzog das Gesicht und versetzte mir einen Stoß. Ich fiel hin und landete mit dem Ellbogen auf dem schwarzen Marmor. Der Schmerz fuhr mir bis ins Mark. Ich versuchte aufzustehen und fiel gleich wieder hin, als Nakita einen Fuß unter mich schob und mich auf den Rücken rollte.
    Ich erstarrte, als ich sie dort beide über mir stehen sah. Ein Fleck an Nakitas Hosenbein verströmte den Geruch von Erde. Die schwarze Steinfläche unter meinem Rücken fühlte sich noch kalt wie die Nacht an, aber der Himmel erstrahlte bereits in einem zarten, transparenten Licht.
    »Wie schnell sich das Schicksal der Engel doch ändern kann«, sagte Kairos. Seine Worte stiegen an und fielen ab wie eine Melodie. Damals hatte ich gedacht, ich könnte das Meer in seiner Stimme hören, doch davon war nur noch der Gestank toten Salzwassers übrig, faulig und widerlich. Mein Blick schnellte zu dem Schwert in seiner Hand und ich erkannte es wieder. Es war dasselbe, mit dem er mich in der Schlucht getötet hatte.
    »Nicht schon wieder!«, stieß ich hervor und zuckte zurück. Im Rücken spürte ich eine Säule, an der ich in den Stand hinaufglitt, die Finger in die Rillen gekrallt. Reflexartig keuchte ich auf und duckte mich, als Nakitas Schwert auf mich zuraste.
    Ein hartes Krachen hallte durch die Luft. Ich blickte auf und sah, dass Kairos sein eigenes Schwert gezogen hatte, um Nakitas Todesstoß mit erschreckender Leichtigkeit aufzuhalten.
    »Nur Geduld, Nakita«, sagte der schwarze Zeitwächter. »Du darfst sie töten, aber erst, wenn ich ihren Körper wiedergeholt habe. Alles muss gleichzeitig geschehen, sonst ändert sich nichts. Ich brauche nur einen kleinen Augenblick, um ihn zu finden.« Ich sprang zur Seite, damit zwischen uns so viel Raum wie möglich lag.
    Nakitas Blick flog zu Kairos hinüber. »Du hast gesagt, er wäre ganz in der Nähe.«
    »Ist er auch. Würdest du jetzt bitte einen Moment still sein, damit ich mich konzentrieren kann?Wenn ich ihn gefunden habe, erscheint er hier und dann kannst du sie töten.«
    Er klang verärgert. Ich stand da, steif vor Angst, und wusste nicht, was ich tun sollte. Gut, diesmal war ich noch davongekommen, aber ich konnte nirgendwo hin. Wir waren auf einer Insel. Die Erde fühlt sich anders an, wenn von allen Seiten Wellen dagegenschlagen. Ich kannte das Gefühl. »Kairos, gib mir meinen Körper zurück und lass mich frei, dann gebe ich dir dein dämliches

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