Totgekuesste leben laenger
der Herrscher der Zeit, Nakita. Ich werde nicht einfach gehen, nur weil die Seraphim mit ihrem Schicksal bestimmt haben, dass es Zeit ist, mich zurückzuziehen, einen neuen Wächter anzulernen und dann dahinzuschwinden bis zu meinem Tod. Und ganz sicher gehe ich nicht, um einem Mädchen meinen Platz zu überlassen, das kaum alt genug ist, um als Frau zu gelten.«
»Sie ist genauso alt wie du, als du deinen Vorgänger ermordet hast«, bemerkte Ron säuerlich. »Tja, wie das Leben eben so spielt.«
Kairos Oberlippe bebte, doch er ließ Nakita nicht aus den Augen. »Sie kann keine Zeitwächterin sein«, widersprach er mit gepresster Summe. »Sie ist tot. Ich habe sie selbst getötet.«
Ron trat einen Schritt näher und blieb wieder stehen, als Nakita ihr Schwert einen Moment lang auf ihn, dann wieder auf Kairos richtete. »Sie hat dein Amulett gestohlen«, sagte er. »Und da sie das geschafft hat, glaube ich nicht, dass ihr Mortalitätsstatus noch eine Rolle spielt. Madison hat ihr Geburtsrecht bereits eingefordert. Sie hat mir die Macht über einen Schutzengel entzogen, einfach, indem sie ihm einen Namen gegeben hat, und nun steht sie unter Nakitas Protektion. Es ist zu spät. Du hast verloren, Kairos. Es ist vorbei. Akzeptier das und lass sie gehen.« Und trotzdem befand ich mich nach wie vor in der Umklammerung eines schwarzen Engels.
»Kairos?« Nakitas Stimme klang ein bisschen schrill, als sie versuchte, das alles nachzuvollziehen. Ich war ihr so nah, dass mich ein heftiges Schwindelgefühl durchfuhr und ich weiche Knie bekam. Die Angst machte mich ganz steif, als eine sanfte Windbö mir das Haar ins Gesicht wehte, sodass ich Kairos einen Moment lang aus den Augen verlor. Nakitas Schwert zwischen uns bewegte sich immer noch nicht. »Ich bin nicht die neue schwarze Zeitwächterin«, sagte ich, während Nakita mich einen Schritt zurückzog, »sondern die weiße. Darum will ich Kairos' Amulett gegen meinen Körper tauschen. Ron, er hat meinen Körper. Ich könnte wieder so sein, wie ich war! Sag ihm, dass ich meine Macht über sein Amulett ablegen kann.« Mein Blick schnellte zu Kairos. Es war offensichtlich, dass er mir nicht glaubte. »Ich kann das, wirklich! Ich hab's schon gemacht! Ron, sag es ihm! Sag ihm, dass ich die neue weiße Zeitwächterin bin!«
Aber Ron sah nur zu Boden. Er machte mir Angst. Gespielt unbekümmert goss Kairos eine bernsteinfarbene Flüssigkeit in ein Kristallglas und nahm einen kleinen Schluck, bevor er es abstellte. »Hast du es immer noch nicht verstanden?«, fragte er. »Es war dein Schicksal, meine Schülerin zu werden, Madison – warum hätte ich dich sonst töten sollen? Ron kann dich nicht übernehmen, selbst wenn er wollte. Er unterrichtet den neuen weißen Zeitwächter schon seit über einem Jahr.«
Was zum … Entsetzt sah ich Ron an und sein niedergeschlagener Gesichtsausdruck verriet mir, dass Kairos die Wahrheit sagte. »Heilige Kosaken«, flüsterte ich. »Du hast es gewusst? Du unterrichtest jemand anderen? Hast du mich deswegen zu Barnabas abgeschoben?«
Ron zuckte zusammen. Er trat einen Schritt vor und Nakita zog mich zwei zurück. Voller Abscheu schüttelte ich sie ab und stand nun aufrecht, aus eigener Kraft, im jungen Tageslicht. Nakita wandte ihr Gesicht der Sonne zu, sank auf die Knie nieder, das Schwert quer über das andere gelegt, und neigte den Kopf. Es sah aus, als würde sie beten. Ihr Haar verdeckte ihr Gesicht, als sie einen leisen, unheimlichen Klagegesang anstimmte.
»Ich hab es für die Menschheit getan, Madison«, bemühte sich Ron, mich zu überzeugen. »Du würdest das sinnlose Töten aufhalten, wenn ich dich nur überreden könnte, dich mir anzuschließen. Überleg doch mal! Ein schwarzer Zeitwächter, der an den freien Willen glaubt? Dann gäbe es keine Vollstreckungen mehr, keine plötzlich beendeten Leben. Kairos wäre machtlos und würde nichts als Frieden hinterlassen, wenn du seinen Platz einnimmst.«
»Warum sollte sie sich dir anschließen?«, rief Kairos. »Du hast sie durch falsche Behauptungen und Ablenkungsmanöver vor den Seraphim verborgen gehalten, ihre Existenz vor jenen verleugnet, die alles hätten richten können! Du warst es, der ihre wahre Existenz aus der Dunkelheit hervorgezerrt hat, in der wir um sie gekämpft haben wie Hunde um einen Knochen. Du hast ihr Lügen eingeflüstert, bis sie ihre Entscheidungen so traf, wie es dir passte. Du hast ihren Unterricht an einen Todesengel abgegeben und ihm damit eine Aufgabe
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