Totgekuesste leben laenger
hinter dem weißen Engel auf, wirbelte herum und legte ihr Schwert von hinten an seine Kehle.Ihre Arme spannten sich an, bereit zum Schnitt, »Nakita, nicht!«, kreischte ich und stolperte auf sie zu. Der schwarze Engel hielt inne, die Lippen zu einem grimmigen, triumphierenden Lächeln verzogen. Dort standen sie, zwei Todesengel in regloser Umklammerung, einer wild und besessen, der andere verstört und geschlagen.
»W…wo hast du das gelernt?«, stammelte Barnabas, der wie erstarrt war durch das Gefühl, die Klinge eines anderen Engels an seinem Hals zu spüren. Nakita sah mir fest in die Augen, während sie sich vorbeugte und Barnabas ins Ohr flüsterte: »Es ist erstaunlich, was man alles kann, wenn man weiß, dass nichts ewig hält - es sei denn, man sorgt selbst dafür.«
Mein Mund war trocken. »Töte ihn nicht«, bat ich. »Bitte, Nakita.«
»Dummes Kind«, erwiderte Nakita mit verächtlich verzogenem Mund. »Was interessiert es dich? Keinen interessiert es. Er hätte dich beschützen sollen, aber er hat versagt und dich zu mir gebracht. Und deshalb musst du jetzt sterben.«
»Ich komme ja mit! Aber töte ihn nicht. Bring mich zu Kairos«, verlangte ich zitternd. »Lass mich mit ihm reden.«
»Genau das hatte ich auch vor«, entgegnete Nakita und trat einen Schritt zurück.
»Nakita, nein!«, schrie ich, als sie das Heft ihres Schwerts auf Barnabas' Schädel niedersausen ließ. Die Flügel des weißen Engels senkten sich still und er fiel nach vorn. Gekrümmt lag er auf dem bemoosten Boden. Seine Flügel bedeckten ihn und es wirkte, als schliefe er. Ein Engel, der sich auf dem Waldboden ausruhte.
Mein Herz hatte wieder angefangen zu schlagen. Langsam wich ich zurück. Nakita schüttelte ihre Flügel und lächelte. Eine einzige weiche Feder fiel zu Boden. Das reine Weiß segelte hinab und landete auf dem leuchtend grünen Moos.
Ich rannte.
Ein Zischen in der Luft - und sie hatte mich eingeholt So schnell war es vorbei. »Lass mich los!«, rief ich. Mich unsichtbar zu machen, würde nichts bringen, wenn sie es auch konnte. »Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?«
»Ich will mich wiederhaben«, fauchte Nakita und umklammerte mich mit hartem Griff. »Ich will keine Angst mehr haben. Die Schwarzflügel…«, sagte sie, ihre Worte klangen abgehackt und ihre Stimme schrill. »Ich kannte keine Furcht. Ich habe sie bei euch gesehen und euch deswegen immer für schwach gehalten, aber das seid ihr nicht. Ich will keine Angst mehr haben. Ich will wieder so sein, wie ich war. Kairos kann mich wieder dazu machen. Aber dafür braucht er sein Amulett.«
Mein Amulett, dachte ich trotzig und schrie dann auf, als wir uns plötzlich in die Luft erhoben und geduckt durch das Blätterdach schossen, zurück ins Licht. Ihr Arm schloss sich fest um mich, meine Beine baumelten in der Luft, bis ich ihre Füße fand und mich darauf stellte. Das sah zwar so aus, als würde ich mich ergeben, aber wenigstens wurden mir nicht die Eingeweide in die Lungen gedrückt.
»Nakita, es tut mir leid«, wiederholte ich, während wir an Höhe gewannen. »Ich wusste nicht dass die Schwarzflügel dich verletzen können. Und du hast schließlich versucht, mich umzubringen!«
»Das war meine Aufgabe! Dein Schicksal!«, erwiderte sie und umklammerte mich noch fester. »So, wie ich jetzt bin, kann ich nicht existieren. Ich muss wieder so werden, wie ich war!«
Die Luft war kalt. Ohne Vorwarnung ging Nakita in den Sturzflug. Sie legte die Flügel um uns beide und hüllte uns in watteweiche Wärme ein. Ich wehrte mich, während mein Magen mir in die Kniekehlen sank und mein Schwindelgefühl mir sagte, dass wir fielen. »Halt still«, knurrte Nakita und die Welt stand auf dem Kopf.
Ich schrie. Mein Geist war unfähig, die absolute Abwesenheit von allem zu erfassen. Kein Geräusch, keine Berührung, nichts. Ich fühlte mich wie ein Schwarzflügel, der niemals existiert hatte, aber das grauenvolle Wissen besaß, dass es mehr gab und es für ihn nun alles verloren war. Ich fiel und nichts in meiner Erfahrung konnte mir sagen, dass ich jemals ankommen würde.
Plötzlich schlossen sich Nakitas Flügel wieder um mich, erfüllten mich mit ihrer Wärme. Ich atmete ihren Geruch ein und keuchte erleichtert auf. Ihre bloße Anwesenheit brachte mich wieder zur Vernunft. Wir bewegten uns nicht mehr, und als ihr Arm sich von mir löste, landete ich mit den Knien auf hartem Boden. Angestrengt bemühte ich mich aufzustehen, doch meine Muskeln zitterten
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