totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
das Bild im Kopf, wie das Blut aus Kostnitz geblubbert war und er trotzdem immer noch seine Witzchen machte. Um diese Bilder zu verscheuchen, sagte ich nach einer ganzen Weile: »Dann hatte der alte Kostnitz am Ende doch Recht. Ich bin krank geschrieben und ich bin wieder arbeitslos.«
Winnie verschränkte die Arme vor seiner Brust. Er drehte sich wieder zu mir um und lächelte mich gequält an.
»Ich hatte sowieso nicht den Eindruck, dass dir der Job gefällt.«
»Gut beobachtet, Monsieur Maigret.«
»Ich habe hier übrigens eine Vorladung für dich. Wir brauchen deine Zeugenaussage. Es reicht, wenn du am ersten Werktag im neuen Jahr auf dem Revier erscheinst.«
Er legte mir einen Briefumschlag in die Hände.
»Toll, ich hätte lieber einen Interviewtermin bei Günther Jauch.«
»Immer schön langsam. Sie sollten besser wieder schlafen, Miss Marple.«
Ich sollte vor allem Winnie jetzt lieber gehen lassen. Stattdessen maulte ich herum: »Du wolltest mir ja nicht glauben. Niemand wollte mir glauben.«
»Doch, hab’ ich. Nur, ich wollte … also, wir wollten, dass du dich da raushältst. Aber genauso gut hätte ich versuchen können, deiner Katze das Singen beizubringen.«
»Oh! Dr. Thoma. Sag mal, könntest du ihn vielleicht füttern? Es reicht, ihm was vor das Fenster zu stellen. Und junk ihn nicht mit Sheba an. Er ist billige Sachen gewöhnt.«
Winnie verabschiedete sich schnell und versprach, sich darum zu kümmern. Ich bedankte mich höflich für seinen Besuch. Kaum hatte er die Tür hinter sich zugemacht, fiel ich wieder in Tiefschlaf.
Und wie ich schlief! Ich schlief und schlief. Ab und zu träumte ich von gelben Kissen, die sich träge, wie riesige Vögel, in den Himmel erhoben und verschwanden. Und ich träumte von Finnland. Von endlosen Wäldern und Seen und einem Haufen Rentiere, die alle Matti verblüffend ähnlich sahen.
Als ich wieder aufwachte, fühlte ich mich beinahe fit. Ich sah mich im Zimmer um, aber da war niemand, mit dem ich jetzt ein Schwätzchen hätte halten können. Das Bett neben mir war immer noch frei. Ich klingelte nach der Krankenschwester, weil ich einen Mordshunger hatte. Sie eilte freudig mit einem Teller Haferbrei und der frohen Botschaft herbei, dass ich für meinen schmerzenden, geschwollenen Hals auch noch ein Eis bekommen könnte. Nein, ich wollte weder pampigen Brei noch ein matschiges Eis. Ich wollte Nudeln. Ein wenig beleidigt schob sie mit ihrem Tablett davon, mit dem nur widerwillig gegebenen Versprechen, mir wenigstens einen Kaffee zu besorgen. Sie ließ keinen Zweifel aufkommen, für wie schädlich sie den Kaffee hielt. Wenn sie gewusst hätte, dass ich eigentlich noch eine Zigarette hatte bestellen wollen, hätte sie mich bestimmt sofort an die Ärzte verpetzt.
Kaum war sie weg, kam überraschend Blaschke ins Zimmer gerauscht. Er hielt mir eine Plastiktüte entgegen, die verheißungsvoll mit La Cavernetta beschriftet war. Wenn wirklich drin war, was drauf stand, dann war heute definitiv mein Glückstag.
»Monsieur Maigret! Welcher Tag ist heute?«
Mit ausgestreckten Armen nahm ich die warme Tüte in Empfang.
»Der 30. Dezember.«
»Meine Güte, so spät schon.«
Ich riss die Verpackung der Nudeln auf und schaute ihn dankbar an. Carbonara! Welch ein Duft! Und ein Becher Milchkaffee. Und eine Packung Gauloises. Dass er daran gedacht hatte, obwohl er selbst gar nicht rauchte! Jetzt strahlte ich über alle Backen.
»Danke. Vielen Dank.«
Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen. Noch war ich unschlüssig, womit ich anfangen sollte. Kaffee und Zigaretten oder Nudeln? Winnie lächelte mich an. Aber froh sah er nicht aus.
»Was ist los?«, fragte ich ihn.
»Iss erst mal.«
»Wie – iss erst mal? Was ist denn?«
Die rote Lampe in meinem Kopf fing an zu leuchten. »Sag es endlich, Winnie!«
»Also gut. Ich habe dich gewarnt, Miss Marple, und es tut mir schrecklich Leid.«
»Ist was mit Matti?«
»Nein, es ist nichts mit Matti. Dem geht es gut. Es ist … also … deine Wohnung steht unter Wasser. Die Heizungsanlage war wohl ausgefallen, und in der Waschküche ist wegen dem plötzlichen Temperatursturz ein Wasserrohr geplatzt. Das jedenfalls sagt die Feuerwehr.«
»Was?!« Beinahe wäre mir der Becher mit dem Milchkaffee aus der Hand gefallen. »Der Kater, der Kater, was ist mit Dr. Thoma?«
»Weiß ich leider nicht. Gefunden haben wir ihn jedenfalls nicht in der Wohnung. Weder die Feuerwehr noch sonst jemand hat ihn gesehen.«
War das jetzt
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