Totgesagt
Fußboden. Mit beiden Händen umklammerte ich die Pistole. An der Eingangstür trat Legion auf ein Bodenbrett. Ein Knarzen. Ich wartete, dass er näher kam. Als er endlich einen Schritt vortrat, gab seine Maschinenpistole nur noch ein Klicken von sich.
Keine Munition mehr.
Wie eine Schockwelle flutete die Stille durch den Raum.
So schnell ich konnte, kam ich aus meiner Deckung hervor und gab sechs Schüsse ab. Einer verließ nicht einmal das Zimmer und blieb in der Tür stecken. Ein weiterer landete jenseits des Korridors in der Wand am Kopf der Treppe. Die übrigen Kugeln schlugen in den Wänden des Korridors ein – sechs vergeudete Schüsse. Legion hatte sich bereits links von der Tür in Deckung gebracht.
Ich blieb stehen, leicht in Richtung Tür vorgebeugt, und wartete, dass er wieder auftauchte. Doch er hatte mich durchschaut. Außer seinen Atemzügen hörte ich nichts.
» K-k-k-k-k-kakerlake« , flüsterte er schließlich.
Dann drang ein metallisch schnappendes Geräusch durch die Stille.
Er lud nach.
Darauf folgte eine lange Pause. Stille, die den ganzen Raum ausfüllte.
Dann musste ich husten.
Schnell feuernd trat Legion ins Zimmer. Ich brachte mich wieder in Deckung und versuchte, mein Gesicht vor dem Staub und dem Glas zu schützen. Kugeln zischten an mir vorbei. Eine fraß sich ganze fünf Zentimeter neben meiner Hand in den Fußboden. Eine andere traf meinen Hausschuh und riss an der Spitze ein Loch hinein. Blitzschnell zog ich den Fuß zurück.
Mir war klar, dass ich schießen musste. Dass ich versuchen musste, ihn zum Rückzug zu zwingen. Ansonsten würde er näher und näher kommen, bis er mich schließlich erledigen konnte. Ich packte die Pistole, legte den anderen Arm um meine Brust und schoss das Magazin leer.
Die ersten drei Schüsse verfehlten ihr Ziel so weit, dass er nicht einmal mit dem Schießen aufhören musste. Mit dem vierten Schuss kam ich immerhin nahe genug, sodass der Lärm seiner Waffe für einen kurzen Moment aussetzte.
Der fünfte schien zu treffen.
Ich hörte Schritte, kaum wahrnehmbar, die sich aus dem Zimmer zurückzogen.
Ich blickte auf meine Pistole hinunter, unsicher, ob ich ihn wirklich erwischt hatte oder ob sein Rückzug ein Täuschungsmanöver war. Der Schmerz wurde langsam unerträglich. Ich keuchte. Glasstücke waren in meine Haut eingedrungen. Ich wollte mich nicht bewegen.
Dann hielt ich die Beretta hoch und nahm mit der zitternden rechten Hand das Magazin heraus. Ich hatte alle fünfzehn Patronen verschossen.
Ich wartete einen Moment. Atmete durch.
Meine Zähne klapperten. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich lauschte auf Legion, auf irgendein Zeichen einer Bewegung. Doch alles, was ich hörte, war der Wind.
»Es muss nicht so enden«, sagte ich.
Nichts. Keine Antwort. Kein Anzeichen für eine Bewegung.
Ich schaute hinunter in meinen Schoß. Die Pistole kam mir schwer vor. Mein ganzer Körper kam mir schwer vor, als wäre das Innere nach außen gestülpt worden. Legion schien alle Trümpfe in der Hand zu halten, selbst wenn es mir irgendwie gelungen war, ihn zu treffen. Er würde warten. Er war ein Soldat. Er war darauf trainiert, Stille und Zeit zu seinem Vorteil zu nutzen.
Ich schluckte und spürte, wie die Spucke durch meine Kehle lief, direkt in meinen Brustkorb hinunter, wo sie ein explosionsartiges Husten auslöste, das Schmerzen in jeden Winkel meines Oberkörpers aussandte.
»Es muss nicht so enden«, sagte ich noch einmal.
Stille.
Ich griff in meine Tasche und zog leise alles hervor, was ich aus dem Schuhkarton genommen hatte: mein Portemonnaie, meine Autoschlüssel, meine Fotos von Derryn, meinen Ehering. Und die Patrone. Ein feiner Nebel bildete sich auf der Metallhülle, als die abendliche Kühle sich ihren Weg durch die zerstörten Fenster bahnte.
Die Patrone.
Ich warf die leere Hülle aus und schob die Patrone in die Waffe.
43
Langsam tastete ich mich hinter dem Kaminabzug hervor. Ich hielt die Waffe vor meinem Gesicht und rutschte auf den Knien über den Boden. Ein Frösteln jagte durch meinen Körper. Vor mir, auf dem Korridor, bemerkte ich Zickzackmuster aus zusammengepresstem Schnee, der sich aus dem Profil seiner Schuhsohlen gelöst hatte. Langsam kroch ich über die von Schüssen zersplitterten Bodendielen.
Als ich die Tür erreichte, versuchte ich die Pistole so auszurichten, dass ihr Lauf auf das schmale Stück Wand zwischen den beiden Zimmern zielte. Dort hatte Legion sich versteckt, als er seine Waffe neu
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