Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
Vom Netzwerk:
geschlossen.«
    Ich schaute hoch zu der Gruppe mit den Schaufeln.
    »Was tun sie in den Dörfern?«
    »Dasselbe wie hier. Graben, pflanzen, Besorgungen machen, Dinge hin und her schleppen, vielleicht hinter einer Theke stehen und bedienen. Niedere Tätigkeiten. Nichtswürdige Tätigkeiten. Andrew argumentiert, dass sie ein reineres, ungetrübteres Leben führen. Die Wahrheit ist allerdings, dass man, wenn man hier fertig ist, zu kaum etwas anderem mehr zu gebrauchen ist.«
    Inzwischen waren einige Gesichter unter den Kapuzen zu erkennen. Sie starrten uns vom Hügel aus entgegen. Die Gesichter wirkten normal, gesund sogar, sofern man nicht in die Augen schaute, die zwischen uns hin und her huschten in dem verzweifelten Versuch, Erinnerungen zusammenzufügen wie kaputte Puzzleteile.
    Schließlich erreichten wir die Gruppe, und weitere Köpfe hoben sich: ein Mädchen im Teenageralter, ein Mann Mitte zwanzig, eine junge Frau im selben Alter. Vor ihnen öffneten sich nach und nach Spalten und Risse im gefrorenen Boden. Die um die Schaufeln geschlossenen Hände waren blutrot.
    An der Wand hinter der Gruppe lehnten vier Schaufeln. Alex und ich griffen jeweils nach einer und taten so, als würden wir graben. Wir verschwanden so tief unter unseren Kapuzen, dass unsere Gesichter kaum zu sehen waren, während wir gleichzeitig den Kasernenausgang im Blick behielten. Einige aus der Gruppe musterten uns weiterhin, vor allem Alex. Als wir dann aber zu graben begannen, wandten sie ihre Aufmerksamkeit nach und nach wieder ihrer Arbeit zu.
    »Ich werde nicht in der Lage sein, noch viel länger gegen
sie zu kämpfen«, sagte ich. Mein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Jeder Muskel, jeder Knochen, alles, was sich unter meiner Haut befand. »Ich halte dich bloß auf.«
    »Wir fliehen zusammen.«
    Ich schaute ihn an. »Versuch es allein.«
    »Und wohin soll ich?«
    »Einfach fliehen.«
    »Ich kann nirgendwohin, David.«
    In diesem Moment traten sie aus dem Eingang der Kaserne heraus.

42
    Sie waren zu zweit. Im Ersten erkannte ich sofort Andrew; die zweite Person war kleiner, vielleicht eine Frau; sie trug die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sobald beide aus der Dunkelheit des Ausgangs hervorgetreten waren, schauten sie sich nach rechts und links um, wobei ihre Augen sich ans dämmrige Licht gewöhnen mussten. Sie wussten, dass wir uns irgendwo auf der Farm aufhielten. Die Frage war nur: wo?
    Beide schauten zu uns herauf und nahmen das Bild unserer Gruppe in sich auf. Das langsame, rhythmische Graben; den Klang der Schaufeln; den von den Bergen und vom Meer herüberheulenden Wind. Und wenn sie die Gruppe nun abgezählt hatten, bevor wir dazugestoßen waren? Ich schaute kurz zu Alex hinüber. Er erwiderte meinen Blick, als hätte er meine Gedanken erraten.
    Andrew machte sich auf den Weg zur Vorderseite von Lazarus. Die Frau drehte sich um und kam geradewegs auf uns zu. Alex und ich drehten uns ein Stück zur Seite, schauten
in eine andere Richtung und achteten darauf, gewissenhaft zu graben.
    Sie brauchte ungefähr sechzig Sekunden, bis sie uns erreicht hatte. Sie trug Arbeitsstiefel, deren Stahlkappen Schotter und Schnee aufwirbelten. Abgesehen von Andrew kleideten sich die Ausbilder genau wie ihre sogenannten Schutzbefohlenen: Kapuzenjacken und Trainingshosen, allerdings in Blau anstatt Grün. Weil ich halb von ihr abgewandt stand, konnte ich ihr Gesicht nicht deutlich erkennen, und als sie näher kam, drehte ich mich noch ein bisschen weiter weg.
    Ich stieß die Schaufel in den Boden und riskierte noch einen weiteren schnellen Blick. Sie hatte die Gruppe jetzt erreicht, schaute aber in die andere Richtung. Als ich die Schaufel abermals in den Boden rammte, spürte ich die Wunden an meiner Brust, meinem Rücken und an den Händen. Ich hielt einen kurzen Moment inne, um durchzuatmen, ehe ich mit dem Umgraben fortfahren konnte.
    Eine Minute verging. Als ich noch einmal zu ihr hinüberschaute, hatte sie sich einige Schritte in Richtung Bethany bewegt. Sie betrachtete eine Frau, die sich gebückt hatte, um die Erde zu ihren Füßen beiseitezuschieben. Dann setzte die Ausbilderin sich wieder in Bewegung und verschwand hinter meinem Rücken.
    Ich warf Alex einen schnellen Blick zu.
    Er hatte sich so postiert, dass er die Frau im Blick behalten konnte, und ich sah, wie seine Augen ihren Bewegungen folgten.
    Wir gruben weiter.
    Dreißig Sekunden später registrierte ich, dass Alex die Frau abermals anvisierte. Dann schaute er mir

Weitere Kostenlose Bücher