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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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verkauft man den Leuten wohl Ideen?‹, stimmt’s?«
    Eigentlich nicht.
    Er blickte auf. »Stimmt’s?«
    »So ungefähr.«
    »So wie er es erklärt, ist es ziemlich einfach. Man nimmt
etwas – und dann versucht man, es auf die jeweiligen Leute zuzuschneiden. Verstehen Sie, man gibt ihnen etwas, das sie wirklich brauchen .«
    »Klingt immer noch wie ein IKEA-Prospekt.«
    Er sagte nichts, ließ mich aber nicht aus den Augen, als hätte ich gerade einen schrecklichen Fehler begangen. Du hast etwas an dir , dachte ich. Etwas, das ich nicht mag . Er trank einen Schluck von seinem Bier, und diesmal konnte ich einen Teil des Tattoos entziffern – Und sie sahen den Besessenen. Außerdem bemerkte ich eine rote Linie, die dicht unter seinem Haaransatz verlief, bis hinter seine Ohren und die Kurve seines Kinns hinunter.
    »Ich hab in Afghanistan einen Schlag mit dem Gewehrkolben abbekommen.«
    »Bitte?«
    Er blickte auf. »Die Narbe in meinem Gesicht. So ein verdammter Kameltreiber hat mir seinen Gewehrkolben ins Gesicht gerammt.«
    »Sie waren Soldat?«
    »Sehe ich aus wie ein Geschäftsmann?«
    Ich zuckte die Schultern. »Wie sieht ein Geschäftsmann denn aus?«
    »Wie sieht irgendjemand von uns denn wirklich aus?« Seine Augen flackerten für einen Moment auf, als sich der Widerschein eines Kaminfeuers hinter mir in ihnen fing. Dann schenkte er mir ein breites Lächeln, als wäre alles ein einziges riesiges Geheimnis. »Soldat zu sein, das lehrt einen viel übers Leben.«
    »Ach ja?«
    »Es lehrt einen auch viel über den Tod.«
    Ich versuchte, genervt auszusehen, und machte mich daran, an meiner Pastete herumzuschneiden – doch die ganze Zeit spürte ich seinen Blick auf mir. Als ich wieder aufschaute,
warf er einen kurzen Blick auf mein Essen, dann schnell wieder in mein Gesicht.
    »Keinen Hunger?«
    »Es sieht besser aus, als es schmeckt«, sagte ich.
    »Sie sollten essen«, erwiderte er und trank den Rest seines Biers aus. »Mein weiß nie, wann man seine Kräfte braucht.«
    Er stellte sein Glas ab und drehte den Oberkörper in meine Richtung. Seine Augen verschwanden wieder im Schatten. Sie wirkten jetzt unzugänglich wie einer der verlassenen Minenschächte an der Küste.
    »Woher kommen Sie?«
    »London.«
    »Ah, das erklärt alles.« Er warf den Kopf zurück. »Die Stadt der Geschäftsleute.«
    »Ist sie das?«
    »Wollen Sie mir etwa sagen, dass sie es nicht ist? Millionen von Leuten, die sich nur aus einem einzigen Grund überhaupt in der Nähe dieses Lochs aufhalten: Damit sie im obersten Stockwerk eines Wolkenkratzers wohnen und andere dazu überreden können, über ihre Verhältnisse zu leben. Das ist die Stadt der Geschäftsleute, glauben Sie mir. Treten Sie einen Schritt zurück von diesem Gewimmel, mein Freund – sehen Sie sich an, wie es abläuft. Keiner ist da, um Ihnen zu helfen.«
    »Danke für den Ratschlag.«
    »Sie machen sich über mich lustig«, sagte er, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Aber ich meine es ernst. Wer ist in dieser Stadt denn für Sie da, wenn Sie mit einem Messer im Rücken aufwachen?«
    Ich konnte sein Gesicht kaum noch erkennen, so weit lag es nun im Dunkeln. Doch was ich hörte, gefiel mir nicht. Ich wandte den Blick ab und konzentrierte mich auf meine Mahlzeit.

    »Möchten Sie in Ruhe gelassen werden?«
    Jetzt lag ein Lächeln auf seinem Gesicht, allerdings nur ein oberflächliches. Darunter erblickte ich einen Moment lang etwas, das ich schon früher einmal gesehen hatte.
    Absolute Dunkelheit.
    »Das überlasse ich Ihnen.«
    Er lächelte wieder. Abermals wehte der Geruch seines Aftershaves zu mir herüber. »Ich lasse Sie jetzt allein. Sicher denken Sie lieber an Ihre Provision, statt meinem wirren Gerede zuzuhören, stimmt’s?«
    Ich erwiderte nichts.
    »Trotzdem nett, Sie kennengelernt zu haben«, sagte er beim Aufstehen. »Vielleicht treffen wir uns noch einmal.«
    »Vielleicht.«
    »Ich glaube schon«, bemerkte er kryptisch.
    Dann sah ich ihn gehen, an den Einheimischen vorbei und durch eine Tür am anderen Ende des Pubs hinaus, wo der Abend ihn verschluckte.

10
    In dieser Nacht konnte ich nur schwer einschlafen. Es war lange her, seit ich zuletzt in einem Bett geschlafen hatte. Und noch länger, seit ich nicht zu Hause übernachtet hatte.
    Ich ließ die Vorhänge ein Stück weit offen und das Fenster gekippt. Kurz nach ein Uhr schlief ich endlich ein, am Fußende des Bettes zusammengerollt. Mitten in der Nacht spürte ich im Halbschlaf eine leichte Brise auf

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