Totgesagt
T-Shirt spürte er Bandagen, die sich von seiner Brustplatte bis hinunter zur Hüfte zogen.
Er atmete ein.
Klick.
Ein Geräusch in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes. Dort ragte ein Stützbalken aus der Wand heraus, und dahinter stand ein Schrank. Jenseits des Schranks allerdings war nur Dunkelheit.
»Hallo?«
Seine Stimme klang leise und kindlich. Verängstigt. Er räusperte sich. Es fühlte sich an, als zerrten Finger an seiner Luftröhre.
Und jetzt konnte er auch etwas riechen.
Er spürte den Pulsschlag in seiner Brust wie eine platzende Blase. Die ersten Anzeichen von Brechreiz stiegen in seiner Kehle hoch. Er legte eine Hand auf den Mund und rutschte im Bett nach hinten, um dem Geruch möglichst zu entkommen. Vor dem Bett, in einem von Mondlicht erhellten Rechteck, entdeckte er einen Metalleimer. Sein Rand war mit Kotze beschmutzt. Daneben stand eine Flasche mit Desinfektionsmittel. Doch es war nicht das, was er gerochen hatte.
Es war etwas anderes.
Klick.
Wieder das Geräusch. Er starrte in die im Dunkeln liegende Ecke des Raumes. Nichts. Kein Geräusch mehr, kein Anzeichen einer Bewegung. Wieder veränderte er seine Position und lehnte sich gegen die Wand in seiner Zimmerecke. Er zog die Knie vor die Brust. Sein Herz kam ihm zwischen den Rippen eingezwängt vor, und sein ganzer Brustkorb schien sich zusammenzuziehen.
»Wer ist da?«
Er wickelte die Decke enger um seinen Körper und blieb schweigend sitzen. Er starrte in die Dunkelheit, bis der Schlaf ihn übermannte.
Er steht vor einer Kirche und schaut durch ein Fenster hinein. Mat sitzt an einem Tisch. Die Bibel liegt offen auf seinem Schoß. Auf der anderen Seite des Zimmers ist eine Tür angelehnt. Er schaut von Mat zur Tür und hat das Gefühl, dort sein und an dieser Tür stehen zu wollen.
Und dann, plötzlich, steht er tatsächlich dort.
Er legt eine Hand gegen die Tür und schiebt. Langsam und quietschend öffnet sie sich. Mat dreht sich auf seinem Sessel um – einen Arm auf die Rückenlehne gestützt – und will wissen, wer eingetreten ist.
Dann fällt sein Gesicht in sich zusammen.
»Mein Gott«, sagt er sanft. Zögernd erhebt er sich. Die Augen weit aufgerissen, den Mund geöffnet. Er sieht aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. »Ich dachte … Wo bist du gewesen?«
»Ich hab mich versteckt.«
Mat zögert. Runzelt die Stirn. »Warum?«
»Ich hab etwas … wirklich Schlimmes getan.«
Er öffnete die Augen. Über ihm befand sich ein blendendes kreisförmiges Licht. Er versuchte, sein Gesicht zu bedecken, doch als er die Hände bewegen wollte, hielt irgendetwas sie zurück. Er versuchte, sie loszubekommen. Spürte plötzlich die Fesseln an seinen Armen, die sich in seine Haut eingruben und ihn am Stuhl festhielten.
Er drehte den Kopf. Jenseits des Lichtkegels war der Raum dunkel. Allerdings konnte er unmittelbar neben sich eine Krankentrage ausmachen, auf der medizinische Instrumente lagen. Daneben stand ein Herzmonitor. Und dahinter, eingehüllt in die Dunkelheit, stand eine Silhouette und betrachtete ihn aus den Schatten heraus.
»Was ist hier los?«, fragte er.
Die Silhouette antwortete nicht. Regte sich nicht einmal.
Er wandte den Blick ab und schaute weiter an seinem Körper hinunter. Seine Handgelenke waren an den Armlehnen eines Zahnarztstuhls fixiert. Er bewegte die Finger und versuchte, die Hände zu befreien. Die Fesseln spannten sich an und wurden enger.
»Was ist hier los ?«
Er versuchte, die Beine zu bewegen. Nichts. Versuchte es noch einmal. Wieder nichts. Obwohl es sich in seinem Kopf anfühlte, als würde er mit ihnen herumzappeln. Doch in jenem Teil seines Körpers, in dem er noch Gefühl besaß, spürte er, dass sie sich nicht bewegen würden. Sie waren gelähmt.
Er wandte sich wieder der Silhouette zu.
»Warum spüre ich meine Beine nicht?«
Noch immer keine Antwort.
Er fühlte Tränen in seine Augen treten.
»Was macht ihr mit mir?«
Eine Hand berührte seinen Bauch. Neben ihm stand ein riesiger Mann – groß und kräftig gebaut und ganz in Schwarz gekleidet, bis auf eine weiße Schürze und eine Chirurgenmaske, die er jetzt herunterzog.
»Hallo«, sagte er.
»Was ist hier los?«
»Du stehst am Rand einer Klippe – ist dir das bewusst?«
» Wie bitte? «
»Du stehst am Rand einer großen Chance, und es ist dir nicht einmal bewusst. In den nächsten Tagen allerdings wird dir diese Chance sehr deutlich werden, und das Opfer, das wir für dich gebracht haben. Erst müssen
Weitere Kostenlose Bücher