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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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wir uns allerdings um ein paar Dinge kümmern.«
    »Bitte, ich weiß nicht, wa…«
    »Wir sehen uns auf der anderen Seite.«
    Der große Mann zog sich die Maske wieder übers Kinn. Dann entfernte er sich von dem Zahnarztstuhl und verschwand im Dunkeln.
    An seiner Stelle erschien eine Frau. Sie trug eine weiße Jacke und eine Chirurgenmaske. Ihre dunklen Haare wurden von einer blauen Haube gebändigt. Ihre kleine, mollige
Gestalt war in eine blutbefleckte Schürze gezwängt. Sie beugte sich zu ihm herunter. Auf der Maske waren Blutspritzer zu erkennen.
    »Bitte …«
    Die Frau legte ihm eine Hand über die Augen. Über sein ganzes Gesicht. Dann schob sie ihm etwas in den Mund. Ein riesiges Ding aus Metall – eine Art Drahtbügel. Es klickte. Er versuchte zu sprechen, versuchte zu schreien, doch das Ding hielt seinen Mund geöffnet. Er konnte nur noch röcheln.
    Er beobachtete sie.
    Bitte.
    Von irgendwoher hörte er ein leises metallisches Summen. Seine Augen huschten nach rechts und links, um die Quelle des Geräuschs ausfindig zu machen. Es wurde lauter.
    Was macht ihr mit mir?
    Doch abermals brachte er nur ein gurgelndes Geräusch heraus. Er schluckte. Beobachtete sie. Sah, wie sie mit etwas herumspielte, und hörte, wie das Summen lauter wurde. Dann hob sie die Hand, in der sie einen Zahnarztbohrer hielt, dessen Spitze sich drehte. Er sah von ihr zu dem Bohrer.
    Oh, Gott. Nein.
    Dann verlor er das Bewusstsein.
     
    Er wachte auf. Alles war still. Es war mitten in der Nacht, die Zeit, in der die Schatten im Raum am tiefsten und dichtesten waren. Und es war kalt. Frostig kalt. Er zog sich die Decke bis an den Hals und drehte sich auf seinem Kissen so, dass er zur Decke schaute.
    In seinem Mund pochte es.
    Er fuhr sich mit der Zunge über das Zahnfleisch, dort,
wo einmal seine Zähne gewesen waren. Jetzt spürte er bloß dünne Fetzen Fleisch, die aus den Hohlräumen herausquollen. Sie hatten ihm, ohne zu fragen, die Zähne weggenommen, so wie sie ihm auch alles andere nahmen.
    Klick.
    Wieder das Geräusch. Dasselbe Geräusch, jede Nacht, die ganze Nacht. Es kam aus einer Ecke des Raumes. Er setzte sich langsam auf und starrte in die Dunkelheit.
    Er wusste, dass dort nichts war. Er hatte tagsüber in diese Ecke geschaut, wenn die Sonne durch das Klappfenster hereinflutete. Er hatte gesehen, dass hinter dem Schrank noch eine Lücke war, vielleicht einen Meter breit. Aber sonst nichts. Mitten in der Nacht, wenn die Stille so bedrückend war, konnte man leicht Dinge sehen und hören, die nicht da waren. Die Dunkelheit trieb ihr Spiel mit einem.
    Klick.
    Er hörte nicht auf, ins Dunkel zu starren, als könnte er es mit seinen Blicken niederzwingen. Schließlich zog er die Decke fest um sich, stand auf und machte ein paar Schritte auf die Ecke des Raumes zu.
    Dann blieb er stehen.
    Aus der Dunkelheit heraus kroch eine Kakerlake ins Mondlicht. Ihre Beine trippelten über den Fußboden. Ihr Körper machte klickende Geräusche, wenn sie sich bewegte. Er sah, wie sie sich dem Bett näherte, dann leicht abdrehte und tiefer in den Raum in Richtung der Tür lief, die sie immer geschlossen hielten. Das Tier blieb einen Moment stehen, schon halb unter der Tür. Seine Fühler zuckten, seine Beine zitterten. Dann verschwand es im Licht auf der anderen Seite.
    Eine Kakerlake.
    Er lächelte und ließ sich wieder aufs Bett sinken. Stieß einen erleichterten Seufzer aus. Tief in seinem Inneren wusste
er, dass niemand ihn aus der Zimmerecke heraus beobachten konnte. Nicht die ganze Zeit über. Nicht die ganze Nacht. Niemand würde das tun; oder es auch nur tun wollen . Doch die Vorstellungskraft konnte einem Streiche spielen, konnte einen an sich selbst zweifeln lassen; sie verbog Realität und Vernunft so lange, bis man – im schwächsten Moment – in Frage zu stellen begann, was man als Wirklichkeit erkannt hatte.
    Doch in diesem Fall war die Realität ganz einfach: Es war nur eine Kakerlake gewesen.
    Er streckte die Arme unter der Decke hervor und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Wind drang durch das Klappfenster. Er legte sich hin und ließ die kühle Luft über seine Haut streichen. Und als er die Augen schloss, konnte er – weit entfernt – das Meer hören.
    »Kakerlake.«
    Er riss die Augen auf.
    Was, zum Teufel, war das?
    »Ich sehe dich, Kakerlake.«
    Er kroch wieder quer übers Bett bis zur Wand. Zog die Knie bis zur Brust hoch. Aus der Dunkelheit kam eine zweite Kakerlake. Ihre Umrisse lösten sich aus den

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