Totgesagt
Schatten, und sie folgte dem Weg, den ihre Vorgängerin zurückgelegt hatte. Sie beschrieb einen Bogen nach links, auf das Licht jenseits der Tür zu.
»Lauf nicht weg, Kakerlake.«
Eine Hand tauchte aus der Nacht auf und fuhr mit einem heftigen Schlag auf das Tier nieder. Dessen Panzer explodierte unter der Wucht des Hiebes, und zu beiden Seiten spritzte helles Blut hervor. Dieses Bild schien für einen Moment völlig stillzustehen. Dann plötzlich zuckten die Finger und begannen sich zu bewegen. Die Handfläche drehte sich nach oben und präsentierte die Kakerlake, platt und in Stücken.
Langsam wurde die Hand zum Arm und der Arm zum Körper, bis schließlich ein Mann aus der Dunkelheit auftauchte. Er trug eine Plastikmaske über dem Gesicht
Es war die Maske eines Teufels.
Gestank umgab den Mann, dessen Augen aus den Tiefen der Nacht durch die Löcher der Maske blinzelten. Die Mundöffnung war lang und breit, zu einem permanenten Grinsen erstarrt. Dahinter lächelte der Mann, und seine Zunge schob sich zwischen den Lippen der Maske hervor.
»Oh, Gott.«
Ein zitternder Aufschrei vom Bett her.
Der Mann mit der Maske fuhr mit der Zunge über die harten Kanten der Mundöffnung. Die Zunge wirkte groß und aufgedunsen, rot und glitzernd wie eine Leiche, die in einem schwarzen Ozean trieb.
Und ganz vorn durch die Spitze zog sich ein ungleichmäßiger Schnitt.
Der Teufel hatte eine gespaltene Zunge.
Immer noch an die Wand gekauert, spürte er, wie sein Herz aussetzte, wie sein Brustkorb zusammensackte, wie sein Körper unter ihm nachgab. Dann blinzelte der Mann in der Maske noch einmal, atmete durch die zwei kleinen Löcher in der Nase der Maske ein und richtete sich langsam auf.
»Ich frage mich, wie du schmeckst … Kakerlake .«
TEIL 2
14
Die Telefonnummer des Calvary Projects, die Cary mir gegeben hatte, führte mich zu einem Wohnblock namens Eagle Heights. Er lag etwa vierhundert Meter östlich der Brixton Road. Auf dem Weg dorthin klingelte mein Handy. Bevor ich es schaffte, es vom Rücksitz zu angeln, hatte ich das Gespräch verpasst. Ich steckte das Gerät in die Freisprechanlage und rief meine Mailbox ab. Es war Cary, der angerufen hatte.
»Ähm, ich habe darüber nachgedacht …« Eine Pause folgte. Cary klang diesmal anders, weniger offiziell. »Rufen Sie mich einfach an, wenn Sie Zeit haben. Ich bin heute Morgen bis zehn im Büro zu erreichen, und nach dem Mittagessen bis vier.«
Ich schaute auf die Uhr. 8:43 Uhr. Ich versuchte, ihn anzurufen, doch der diensthabende Polizist erklärte mir, er wäre noch nicht im Haus. Zehn Minuten später, mitten im Verkehrsstau, versuchte ich es erneut, doch derselbe Polizist sagte, er wäre noch immer nicht gekommen. Während vor mir Eagle Heights hinter einer Reihe von Eichen auftauchte, hinterließ ich eine Nachricht.
Das Gebäude war nichtssagend und grau. Die Flecken an der Betonfassade erweckten den Eindruck, als verfaule das Haus von innen heraus. Insgesamt türmten sich fünfundzwanzig Stockwerke auf, und die beiden durch Zäune abgetrennten Nachbarhäuser waren noch höher. Am vorderen
Eingang befand sich eine Tafel mit der Aufschrift Eagle Heights . Darunter hatte jemand Willkommen in der Hölle gesprüht.
Ich parkte meinen BMW neben einem zerbeulten und auf Klötzen aufgebockten Golf mit eingeschlagenen Scheiben. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite kickten ein paar Jugendliche, die zu dieser Uhrzeit in der Schule hätten sein sollen, auf einer kleinen matschigen Grasfläche mit einem Ball. Ich stieg aus dem Wagen, nahm mein Handy und mein Taschenmesser und ging zum Hauseingang.
Drinnen war es kühl. Links von mir befanden sich die Briefkästen, die meisten leer. Ich warf einen Blick in den Schlitz von Nummer 227. Leer. Rechts erhob sich das Treppenhaus. Ich begann hinaufzusteigen und entdeckte einen großen Metallkäfig mit einer Klimaanlage. Wasser sickerte heraus und lief die Wände hinunter auf die Stufen. Je höher ich kam, desto schlimmer wurde der Gestank.
Die Tür im zweiten Stock hing schief in den Angeln, und ihr Glas war zerbrochen. Ich zog an der Klinke. Aus den Wohnungen drangen Geräusche: das Brummen eines Fernsehers, der Ruf einer Frau, der dumpfe Aufprall eines Balles auf der Grundlinie. Auf jeder Seite des Flurs lagen fünfzehn Türen, alle im selben schlammigen Braunton gestrichen. Wohnung 227 lag ganz am Ende.
Ich klopfte zweimal und wartete.
An der Tür klebte eine Mitteilung der Kommune. Sie war rund vier Jahre alt
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