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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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und untersagte aus gesundheitlichen und Sicherheitsgründen den Zutritt zur Wohnung. Ein Teil des Aufklebers hatte sich inzwischen abgelöst und fehlte. Die verbleibenden Reste waren im Lauf der Zeit verblasst.
    Ich klopfte noch einmal, diesmal fester. Zwei Wohnungen weiter den Flur hinunter hörte ich das Öffnen einer Tür. Jemand schaute durch den Spalt.

    »Wen suchen Sie?«
    Ein Mann.
    »Den Kerl, der in dieser Wohnung lebt«, sagte ich. »Kennen Sie ihn?«
    »Nö.«
    »Haben Sie ihn mal gesehen?«
    »Was sind Sie, ein Bulle?«
    »Nein.«
    »Sozialamt?«
    »Nein.«
    Wieder klopfte ich an die Tür.
    »Das wird Ihnen nichts nützen, Kumpel.«
    »Wieso?«
    »Da wohnt keiner.«
    Ich schaute zu ihm hinüber. »Seit wann?«
    »Seit Ewigkeiten.«
    »Hier wohnt überhaupt niemand?«
    »Nee.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ob ich sicher bin? Sie können doch lesen , oder?«
    »Nur wenn die Wörter nicht mehr als drei Buchstaben haben.« Ich betrachtete die amtliche Mitteilung. »Also hat die Gemeinde die letzten Bewohner an die Luft gesetzt?«
    »Die letzten Bewohner? Ich leb seit zwanzig Jahren in diesem Scheißloch. Seit der Fußboden nachgegeben hat, wohnt da niemand mehr. Da drinnen ist ein Loch, so groß wie die Tower Bridge.« Er öffnete die Tür ein Stückchen weiter. Ich sah einen Weißen. Unrasiert. Alt. »Niemand schert sich einen Scheißdreck um uns, also ist auch niemand gekommen, um es zu reparieren. Es muss fünf Jahre her sein, seit die Sache passiert ist.«
    »Und in den fünf Jahren hat hier keiner gewohnt?«
    »Nee.« Er hielt einen Moment inne. »Ab und zu ist mal
jemand von der Gemeinde hier gewesen. Wahrscheinlich, um den Zustand zu überprüfen. Aber länger gewohnt hat dort keiner.«
    Ich ging langsam auf ihn zu. Als ich mich der Tür näherte, schob er sie zu. Ich ging an seiner Wohnung vorbei, trat hinaus ins Treppenhaus und stellte mich neben die Tür, sodass er mich nicht mehr sehen konnte. Dann wartete ich. Als er hundertprozentig wieder in seinem Loch verschwunden war, kehrte ich zur Wohnung zurück und zog mein Taschenmesser heraus.
    Ich schob das Messer in den Spalt zwischen Tür und Rahmen und begann vorsichtig, die Tür aufzuhebeln. Sie war feucht und verzogen. Als ich mich ungefähr zu zwei Dritteln nach oben gearbeitet hatte, erreichte ich eine Stelle, an der das Türblatt gekrümmt war. Ich spürte, wie die Klinge dort mehr Spielraum hatte. Etwas splitterte. Ich entfernte die losen Holzstückchen und bohrte ein Loch. Das Licht vom Flur, das durch dieses Loch nach drinnen fiel, erhellte einen Ausschnitt der Wohnung. Drinnen schien alles kahl zu sein: keine Teppiche, keine Möbel, keine Farbe an den Wänden.
    Weiteres Holz splitterte, und je tiefer am Türrahmen ich ansetzte, desto leichter gab es nach. Ich packte den Griff. Die Tür ruckelte ein Stückchen im Rahmen hin und her. Ich warf einen Blick durch den Flur und übte dann vorsichtig Druck mit der Schulter aus. Wieder schob ich das Messer hinein, diesmal direkt am Schloss. Ich drehte es hin und her und drückte gleichzeitig. Das Holz war unglaublich weich – es bog sich unter meinem Gewicht. Dann endlich gab das Schloss nach.
    Ich trat ein und zog die Tür hinter mir zu.
    An den Fenstern hingen keine Vorhänge – nur Rechtecke aus braunem Plastik. Schmale Streifen Licht stahlen sich an
den Rändern vorbei und fielen auf die gegenüberliegenden Wände. Links von mir befand sich eine Küchentheke. Der Raum roch feucht, aber nicht unangenehm, und die Bodendielen waren schmutzig, einige auch zerbrochen. Trotzdem hatte sich der alte Mann geirrt. Zwar befanden sich kleine Löcher im Fußboden, doch diese reichten nicht hinab bis zur darunterliegenden Wohnung, sondern endeten an einer Betondecke. Es sah aus, als wären einige Bodendielen kürzlich ausgetauscht worden. Sie unterschieden sich farblich vom Rest des Fußbodens.
    Ich schaute mich um und entdeckte einen Lichtschalter ein Stück entfernt an der Wand. Ich drückte auf den Schalter. Nichts geschah. Es war schwer zu erkennen, ob die Fassung über mir eine Glühbirne enthielt oder nicht. Ich ging hinüber zum Fenster, klappte mein Taschenmesser auf und schlitzte das Plastik auf. Das Morgenlicht brach herein und ergoss sich in breiten Kegeln voll tanzender Staubkörner ins Zimmer.
    Die ganze Wohnung wirkte wie ein Skelett – jedes einzelne Möbelstück war entfernt worden. Colaflaschen und leere Chipstüten lagen auf der Küchenanrichte. Ich nahm eine Tüte und drehte sie um. Das

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