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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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aufzuschließen. Hinter mir hörte ich eine Stimme, erst weit entfernt, dann lauter. Als ich mich umdrehte, sah ich einen Schwarzen. Er rief: »Hey! Sie können hier nicht parken!« und kam mir hinterher. Ich ignorierte ihn. Als ich wieder nach vorn schaute, hatte Evelyn die Tür gerade geöffnet. Sie ließ die Einkaufstasche, wo sie war – auf der Stufe -, und lief ins Haus.
    »Evelyn!«, rief ich, als ich die Tür erreichte. Sie wurde ganz langsam von einer elastischen Feder geschlossen und quietschte, als ich dagegendrückte. Ich trat ein. »Evelyn?«
    Im Haus war es warm. Rechts von mir knarzte eine Bodendiele. Evelyn verschwand gerade im ersten Stock. Zwei Stufen auf einmal nehmend, folgte ich ihr und hörte eine Reihe von Geräuschen im Treppenhaus, dann das lautstarke Schließen einer Tür und wieder Schritte. Als ich oben ankam, fand ich drei Türen vor. Eine war geschlossen. Ich klopfte an.

    »Evelyn?«
    Keine Reaktion.
    »Evelyn?«
    Ich legte eine Hand auf die Klinke.
    »Evelyn – ich bin’s, David.« Keine Antwort. »David – aus dem Angel’s.«
    Das Geräusch eines Schiebefensters, das in seiner Schiene bewegt wird.
    Ich öffnete die Tür gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie sich hinausbeugte. Ein Fuß stand noch auf dem Schlafzimmerboden, der andere draußen auf einem flachen, gewellten Eisendach, das sich rund drei Meter von der Hauswand bis zu einer schmalen Gasse zog, die parallel zur Straße verlief, auf der ich geparkt hatte. Sie blickte sich kurz um. Keiner von uns sagte ein Wort. Dann verschwand sie durch das Fenster.
    Ich sah, wie sie sich mit kleinen Schritten über das Dach bewegte und achtgab, auf dem eisigen Untergrund nicht auszurutschen. Als sie die Kante erreichte, schaute sie sich um, zögerte und sprang hinunter. Ich sah den schmerzerfüllten Ausdruck ihres Gesichts, als sie landete, doch sie gab keinen Ton von sich. Stattdessen rappelte sie sich auf und lief los.
    Ich rannte nach unten. Die Haustür stand immer noch offen. Alle anderen Türen waren zu. Das Haus erinnerte mich an die Wohnung in Brixton: Die Wände waren kahl, wahrscheinlich nur einmal überstrichen worden, und auf dem Boden gab es keinerlei Teppich, nur die ursprünglichen Dielen. Am Ende des Flurs entdeckte ich eine Küche, mehrere Erkerfenster und eine weitere geschlossene Tür. Keinerlei Möbel außer den Küchenschränken und einer Mikrowelle. Ich trat hinaus auf die Treppe vor der Haustür.
    Plötzlich hörte ich ein Geräusch von drinnen: »Aahhh …«

    Eine Stimme. Ich erstarrte. Lauschte.
    Nichts.
    Ich trat wieder in den Flur, dann in die Küche. Das Haus verströmte einen merkwürdigen Geruch, er wurde stärker, je tiefer ich vordrang.
    Von der Küche gingen zwei Türen ab. Die erste führte hinaus in einen winzigen Garten voller Unkraut und Bauschutt. Ich öffnete die andere und gelangte in ein Wohnzimmer. Keine Möbel, kein Fernseher, nur ein paar auf dem Fußboden verstreute Bücher und eine Decke in einer Zimmerecke. Die Vorhänge des einzigen Fensters waren zugezogen, und durch einen schmalen Bogen gelangte man ins benachbarte Zimmer. Von dort, wo ich stand, konnte ich durch diesen Bogen hindurch die Kante eines Sofas erkennen. Schmale hölzerne Lehnen, große Lederkissen.
    Und – über eine der Lehnen hinausragend – einen Kopf.
    Ich ging weiter. Der Kopf, der Rumpf, ein Arm, der über die Sofakante hinabhing, sodass die Fingerknöchel den Boden berührten. Wenige Zentimeter von den Fingern entfernt lag eine Spritze. Sie war ein Stück weggerollt, außer Reichweite. Ein Teil der Flüssigkeit war herausgelaufen und bildete auf den Dielen eine Pfütze, gleich neben einem überquellenden Aschenbecher. Es war ein Mann. Ein Junge eigentlich. Seine Hose war feucht. Ein dunkler Fleck zog sich von seiner Leiste hinab über die Innenseite des einen Beines. Neben dem Sofa stand ein Eimer.
    Er war voll mit Erbrochenem.
    Der Gestank war unglaublich. Schlichtweg erdrückend. Ich wandte mich ab und hielt mir den Arm vors Gesicht.
    Er konnte nicht älter als achtzehn Jahre sein, doch seine Arme waren mit Einstichlöchern übersät, die Venen aufgequollen und hervorstehend. Er war so weiß wie der Schnee draußen, hatte die Augen halb geschlossen. Die
gelben geschwollenen Flecken unter seinen Lidern wirkten wie nachlässig aufgetragenes Make-up. Ich konnte nicht näher herantreten. Der Gestank war absolut fürchterlich.
    Dann wurde irgendwo eine Tür geschlossen.
    Ich schaute auf.
    Die Tür zur Küche stand

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