Totgesagt
mein Büro betreten hatte.
Ich war immer noch barfuß. Im Rückspiegel entdeckte ich einen dünnen, aber tiefen Schnitt genau am Haaransatz, dort, wo Zack mich im Haus geschlagen hatte. Mein Gesicht war ramponiert und geschwollen, mit blauen und schwarzen Flecken übersät. Eines meiner Augen begann langsam zuzuschwellen. Meine Schulter und mein Arm waren nicht gebrochen, doch sie schmerzten bis auf die Knochen. Außerdem sah ich den Abdruck eines Knöchels dicht an meinem Ohr, dort, wo der Anführer – der Mann mit dem Sacharinatem – mich geschlagen hatte.
Einen Moment blieb ich einfach sitzen und versuchte, meine Gedanken zu sortieren.
Wer bist du?
Ich war nicht mehr derselbe Mann, der sich auf die Suche nach einer vermissten Person begeben hatte. Ich war nicht einmal derselbe Mann, der am Tag zuvor aufgewacht war. Ich hatte zweimal getötet. Ich wusste, dass mich dieser Umstand veränderte; ein Teil von mir wusste, dass sich alles verändern würde. Mit einem Mal war ich fähig, ein Leben zu beenden, einem anderen Mann in die Augen zu schauen und für den Bruchteil einer Sekunde gerade so viel Kontrolle zu verlieren, um den Abzug zu betätigen. Irgendwo unter der Oberfläche war ein Mann versteckt, den ich bisher nicht gekannt hatte.
Ein Mann, der sich außerhalb der moralischen Ordnung stellte.
Einen Moment lang fragte ich mich, wie Derryn mit dem umgegangen wäre, was ich getan hatte. Hätte sie mir weiterhin
vertraut? Hätte sie immer noch in unserem Bett neben mir liegen wollen? Wäre sie in der Lage gewesen, eine Veränderung in mir zu spüren, eine plötzliche Barriere zwischen uns, als gäbe es zwei Männer – denjenigen, den sie immer gekannt hatte, und denjenigen, der ihr fremd war?
Ich startete den Wagen und schaltete die Heizung ein.
Als die Luft in mein Gesicht blies, wurde mir klar, dass sie sich wahrscheinlich am meisten davor gefürchtet hätte, dass mein Handeln so wenig Gefühle in mir auslöste. Ich hatte getan, was notwendig war, um lebendig aus diesen Büschen herauszukommen. Ich wollte es nicht wieder tun, aber ein Teil von mir wusste genau, dass ich es tun würde, wenn ich musste. Sie hatten mich töten wollen, und wenn es noch einmal dazu käme, würde ich wieder abdrücken. Vielleicht wurde ich dadurch ein Stück weniger der Mann, den Derryn gewollt hatte. Aber inzwischen ging es nicht mehr um vermisste Personen.
Es ging ums Überleben.
Ich schaute zur Uhr. 7:49 Uhr. Sie hielten mich jetzt für tot, und daraus musste ich einen Vorteil ziehen. Wir waren ungefähr zwei Stunden unterwegs gewesen, und das Vergraben meiner Leiche hätte sicher zwei weitere Stunden in Anspruch genommen. Also hatte ich zwei bis drei Stunden Vorsprung, ehe ihnen klar würde, dass Zack und Jason nicht zurückkamen.
28
Die Stelle, an der ich hätte sterben sollen, befand sich nicht auf der Straßenkarte, die ich im Auto fand. Doch als ich nach sechs Kilometern auf einem gewundenen Schotterweg endlich eine Hauptstraße erreichte, sah ich, dass ich mich
ungefähr dreißig Kilometer von Bristol entfernt befand, mitten in den Mendip Hills.
Im Handschuhfach entdeckte ich ein Handy; sauber wie das letzte, das ich gefunden hatte. Keine Namen. Keine gespeicherten Anrufe. Einen Moment blieb ich sitzen, um mir darüber klar zu werden, was ich als Nächstes unternehmen würde, dann wählte ich die Nummer meines Anschlusses zu Hause. Ich hatte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Es war John Cary. Er hatte mich am Tag zuvor angerufen, gegen fünf Uhr nachmittags.
»Ich habe etwas für Sie«, sagte er. »Rufen Sie mich an.« Er hatte eine Nummer hinterlassen. In einem der Fächer in der Wagentür fand ich einen Kugelschreiber. Damit kritzelte ich die Nummer auf meinen Handrücken. Nach dem zweiten Klingeln nahm er ab.
»John, hier ist David Raker.«
»Ich habe versucht, Sie zu erreichen.« Er klang verärgert. »Gehen Sie eigentlich jemals ans Telefon?«
»Ich war …«
Ich zögerte.
Sollte ich es ihm sagen?
Die Wahrheit war, dass ich jede Hilfe gebrauchen konnte. Ein wenig Schutz konnte auch nicht schaden. Andererseits hatte ich gerade zwei tote Männer sechs Kilometer hinter mir im Wald liegen lassen. Wenn ich ihm das anvertraute, würde ich auch alles andere erzählen und mich den Konsequenzen stellen müssen. Aber ich war nicht bereit, diesen Fall – oder mich selbst – aufzugeben. Noch nicht.
»Ich war sehr beschäftigt«, sagte ich schließlich.
»Schön, dann sind wir ja schon zwei. Lassen
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