Totgesagt
verschwunden ist?«
»Das habe ich leider noch nicht herausgekriegt, nein.«
Eine Pause folgte. Eine lange, ausgedehnte Pause. Dann sagte er: »Die Abdrücke, die wir auf dem Foto gefunden haben, stimmen mit denen überein, die wir vor sechs Jahren am Lenkrad eines silbernen Mondeo gefunden haben, der bei einem Fall von Fahrerflucht eine Rolle gespielt hat.«
Wieder das Rascheln von Papier. »Zeugen erinnerten sich an einen männlichen Weißen ungefähr in Alex’ Alter, der eine lautstarke Auseinandersetzung auf dem Parkplatz eines Striplokals namens Sinderella in Harrow hatte. Ich zitiere: ›Um zwanzig nach elf am neunten November soll der Verdächtige den silbernen Mondeo …‹«
»Einen Moment bitte. Am neunten November?«
»Ja.«
»Das ist der Tag vor Alex’ Verschwinden.«
»Korrekt. ›Der Verdächtige fuhr das Opfer – Leyton Alan Green, 54, aus Fulham – an, als er die Bar verließ, und verursachte lebensgefährliche Verletzungen. Kurz danach starb das Opfer. Zeugen erinnern sich, dass ein silberner Mondeo mit einem Hertz-Aufkleber kurz darauf den Unfallort verließ.‹ Der silberne Mondeo wurde fünf Monate später in Dover entdeckt. Am zwölften April.«
Wir beide hielten inne, um die Informationen zu verdauen.
»Alex hat jemanden getötet ?«
»Es sieht so aus.«
»Dieser Green … Hat er ein Vorstrafenregister?«
»Nein. Er ist sauber.«
»Und der Wagen war gemietet?«
»Ja.«
»Was hat Hertz dazu gesagt?«
»Nicht viel. Alex hat einen falschen Ausweis benutzt. Er lautete auf den Namen Leyton Alan Green.«
»Wie nett.«
»Ja, das kann man wohl sagen.«
»Glauben Sie die Geschichte?«
»Was meinen Sie ?«
Ich ließ mir einen Moment Zeit, um über die Neuigkeiten nachzudenken. Die Dinge veränderten sich mit rasanter Geschwindigkeit.
»Kann ich eine Kopie dieser Akten bekommen?«
Er antwortete nicht sofort.
Schließlich erklärte er leise: »Ich hab sie Ihnen gestern geschickt.«
29
Ich brauchte drei Stunden für den Weg nach Hause. Am Ende meiner Straße hielt ich an, blieb aber noch im Auto sitzen und beobachtete das Haus. Mit abgeschaltetem Motor und ohne Heizung kühlte der Wagen beinahe auf der Stelle aus. Beißender Wind schlug gegen die Fenster und ließ die Schneeflocken wild über die Straße wirbeln. Langsam sank mein Adrenalinspiegel, und ich begann, meinen Körper wieder zu spüren. Die Kälte kroch in mich hinein und stieg langsam höher. Ich hatte noch immer keinen Mantel, keine Schuhe und keine Socken an. Ich griff nach dem Zündschlüssel – meine Hände zitterten, meine Zähne klapperten, und jede Wunde im Gesicht und an meinen Füßen,
jede Prellung an meinem Körper schmerzte – und startete den Wagen. Die Heizung sprang wieder an, begleitet vom Lärm des Motors. Als mir langsam wieder wärmer wurde, begann mein Körper sich zu entspannen.
Vor eine der Warmluftdüsen gebeugt, beobachtete ich erneut den Abschnitt der Straße bis zu meinem Haus. Es war immer eine ruhige Gegend gewesen, und ich hoffte, dass alles, was hier nicht hingehörte, kilometerweit ins Auge fallen würde. Seit letzter Nacht war mir allerdings klar, dass ich es nicht nur mit Barkeepern und Jugendpfarrern zu tun hatte – sondern auch mit Jägern und Scharfschützen. Mit Mördern. Sie tauchten auf und wieder ab, und sie konnten einfach vom Erdboden verschwinden. Der Vorteil lag immer noch auf ihrer Seite.
Ich schaute zur Uhr. 11:27 Uhr. Wahrscheinlich wurde ihnen langsam klar, dass Zack und Jason nicht zurückkommen würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie schon hier waren, das Haus beobachteten und auf meine Ankunft warteten, schien mir eher gering. Doch ich wollte keine Risiken eingehen. Andererseits musste ich mich mit dem Notwendigsten versorgen. Ich brauchte eine Dusche. Ich musste mich verarzten. Ich brauchte Schuhe und Wäsche zum Wechseln.
Also stieg ich aus dem Wagen und ging langsam auf mein Haus zu. Ich behielt die Straße in beiden Richtungen im Auge. Nirgends saß jemand im Auto. Keiner beobachtete das Haus. Gestern hatten sie alles aus meinen Taschen genommen, auch meine Schlüssel. Deshalb näherte ich mich der Rückseite des Hauses und nahm den Reserveschlüssel aus einer der vertrockneten Blumenampeln an der Hintertür.
Drinnen war es kalt. Sehr vorsichtig betrat ich jedes einzelne Zimmer, nur für den Fall. Doch es war niemand im
Haus, und offensichtlich war auch nichts angerührt worden. Die Akten, die Cary gestern geschickt hatte, lagen auf dem Fußboden unter
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