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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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mich umzublicken. Etwas stach in meine Fußsohle – ein Stein, vielleicht auch eine Glasscherbe -, doch ich hielt nicht an. Ich versuchte, so große Schritte wie möglich zu machen, so viele Meter wie möglich hinter mich zu bringen. Riesige Bäume tauchten aus der Nacht auf und brachten mich aus dem Gleichgewicht. Ich schlug einen Bogen nach rechts, weg von der Straße und weiter in den Wald hinein. Schließlich wagte ich es doch, mich kurz umzudrehen: Jason war knapp fünfzehn Meter hinter mir und gab sorgfältig acht, wohin er seine Füße setzte. Als er kurz aufblickte, trafen sich unsere Blicke. Er hob die Pistole und verlor das Gleichgewicht, fing sich aber sofort wieder. Er war schnell und durchtrainiert. Ans Laufen gewöhnt. Das wusste ich noch vom letzten Mal. Wahrscheinlich hatte er schon ein Stück Boden gutgemacht.
    Ich versuchte, schneller zu laufen, wobei jeder Knochen im meinem Körper schmerzte, jeder Nerv prickelte. Dann sah ich, wie – etwa sechs oder sieben Meter vor mir – das Blattwerk dichter wurde. Dort musste es schwieriger für ihn werden, mir zu folgen. Gebückt hielt ich auf die Stelle zu. Dornige Zweige zerkratzten meine Haut, und Schnee
spritzte in mein Gesicht. So schnell ich konnte, schob ich mich durch das Dickicht. Über die Geräusche der knackenden und splitternden Äste hinweg erwartete ich Jason zu hören – doch da war nichts. Er verfolgte mich nicht mehr. Er hatte einen anderen Weg eingeschlagen.
    Ich blieb stehen und ließ mich zu Boden fallen.
    Alles, was ich hörte, war das Blut, das durch meine Adern gepumpt wurde. Eine pochende Bassline, die mir so laut erschien, als würde sie überall im Wald widerhallen.
    Rechts von mir knackte etwas. Ich wandte den Kopf, kniff die Augen zusammen und starrte in die Dunkelheit. Beide Männer trugen Taschenlampen bei sich – aber beide hatten sie ausgeschaltet. Kein Licht drang durch die Bäume, nicht einmal Mondlicht. Auf gewisse Weise war das ein Nachteil für mich, denn die beiden kannten das Gelände. Sie kannten die Verstecke, die Erdlöcher. Sie konnten direkt neben mir stehen, ohne dass ich sie entdecken würde.
    Langsam tastete ich den Boden ab, auf der Suche nach etwas, das ich als Waffe benutzen konnte. Alles war mit einer harten und kristallinen Schneeschicht überzogen, und ich spürte nichts außer einem dichten Gestrüpp dorniger Büsche. In der Stille fühlte ich die Schmerzen in meinen Füßen. Es schien mir, als zögen sich tiefe Schnitte durch Ballen und Sohlen meines linken Fußes und als hätte ich mir rechts den Knöchel verstaucht. Wieder spürte ich Blut aus meinem Haaransatz rinnen, doch diesmal wischte ich es nicht ab. Denn ganz in der Nähe leuchtete plötzlich eine Farbe in der Dunkelheit auf – ein blasses Blau, die Farbe von Jasons Jacke.
    Unter meiner Haut schlug mein Herz so hart – und so schnell -, dass ich das Gefühl hatte, es müsste jeden Moment explodieren. Wieder dieses Blau. Näher diesmal. Zu hören war nichts – nicht einmal das leise Knirschen von Schnee.
Er bewegte sich geschmeidig und leise, jeder Schritt traf dort auf, wo er auftreffen sollte. Noch immer lief mir Blut ins Gesicht, diesmal mitten über die Stirn, dann über den Nasenrücken und hinunter in den Mundwinkel.
    Plötzlich entdeckte ich ihn.
    Er befand sich ungefähr drei Meter links von mir, hatte mir den Rücken zugewandt und schaute in die entgegengesetzte Richtung. Die Jacke war keine clevere Idee gewesen. Hätte er sie vorher ausgezogen, dann hätte er völlig unbemerkt direkt neben mir stehen können. Jetzt drehte er sich um, die Pistole in der ausgestreckten Hand, und starrte genau zu mir herüber. Reglos starrte ich zurück, bis er abermals herumschwenkte und einen Schritt von mir weg machte.
    Ich konnte einfach abwarten, bis er weiterging und tiefer im Wald verschwand. Dann konnte ich loslaufen, zurück in Richtung der Straße. Doch es gab noch ein anderes Problem. Zack. Ich hatte keine Ahnung, wo er sein könnte. Er hatte die Straße genommen – also wand sie sich wahrscheinlich um das Waldstück herum, und er würde mir weiter oben den Weg abschneiden. Allerdings hatte ich nicht die geringste Vorstellung davon, wie weit wir jetzt von der Straße entfernt waren. Vielleicht ein ganzes Stück. Wenn ich also abwartete, bis Jason an mir vorbei war, und dann loslief, könnte ich Zack vielleicht erst recht abschütteln. Falls die Straße aber in meiner Nähe verlief, gleich oberhalb der Stelle, wo ich mich jetzt

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