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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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lieber sterben, als sich ihm zu ergeben.
    Ob er sich von dem Deckenbündel da wohl täuschen ließ? Sie hatte keine Ahnung, doch allem Anschein nach war es wohl so. Sie hörte nämlich, wie er den Schlüssel ins Schloss einführte.
    Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Madeline fuhr sich mit der Zunge über die trockenen, rissigen Lippen und stemmte sich geräuschlos an der Wand hoch, bis sie sich zur vollen Körpergröße aufgerichtet hatte. Dann hob sie die Axt hoch über den Kopf.
    Die Tür ging einen Spaltbreit auf. Vorsichtig schob Ray sich durch die Öffnung, genau auf Madeline zu. Sie konnte ihn regelrecht riechen – widerwärtiger, schweißiger Körpergeruch, der ihm so in der Kleidung steckte, dass Madeline fast der Magen hochkam. Die Augen kurz geschlossen, schickte sie noch ein Stoßgebet zum Himmel.
    Leider kam Ray nicht so forsch herein, wie sie gehofft hatte. Ihr ganzer Plan hing aber genau davon ab.
    Los, mach schon, du Schwein! Ich liege direkt vorm Kamin! Siehst du das nicht? Los, ran!
    Die Tür war noch im Wege. Die musste er noch schließen, erst dann war ein Angriff möglich. Wäre der Kerl bloß nicht so vorsichtig!
    Leicht vornübergebeugt, zupfte sie an der Angelschnur, die sie auf dem Kaminsims gefunden und an der untersten Deckenschicht ihrer provisorischen Puppe befestigt hatte. Ray musste die Bewegung wohl wahrgenommen haben, denn Madeline hörte, wie er plötzlich erstickt den Atem anhielt. Nun kam er ganz herein, forsch und entschlossen – und verfing sich mit den Knöcheln an einer zweiten, wie ein Stolperdraht gespannten Angelschnur.
    Anders als in ihrer Vorstellung fiel er nicht gleich, sondern geriet ins Taumeln, doch die kleine Stolperfalle brachte ihn so aus dem Gleichgewicht, dass Madeline hinter der Tür vortreten und mit der Axt ausholen konnte, ehe er ihre Gegenwart überhaupt ahnte.
    Sein Schrei hallte durch die Hütte, als die Klinge auf ihn niedersauste und ihm – zumindest nach Madelines Gefühl – von oben in die Schulter drang. Er zuckte zurück und riss ihr dabei die Axt aus den Händen. Madelines Abscheu davor, einen Menschen überhaupt mit einer solchen Waffe anzugreifen, wirkte sich nun als Schwachstelle aus. Sie merkte, wie er sofort nach ihr stach, offenbar mit einer Art Messer, und sie am Unterarm erwischte. Der Schnitt war nicht tief, aber er brannte und blutete. Der Gewaltakt an sich war so abstoßend, dass ihr ganz schwindlig wurde.
    Sie hatte gehofft, sie könne es schnell hinter sich bringen, doch ihr Hieb hatte ihn noch nicht völlig außer Gefecht gesetzt. Fluchend und schreiend taumelte er durch das Blockhaus, hektisch bemüht, sich mit der einen Hand die Axt aus der Wunde zu reißen und mit der anderen nach Madeline zu greifen.
    Als sie ihm auswich, sackte er in die Knie und bekam die Axt endlich aus der Wunde heraus. Vermutlich blutete er stark, doch konnte sie in dem Halbdunkel nicht viel erkennen, ohnehin froh darüber, dass sie sich das Resultat ihres Hiebs nicht auch noch ansehen musste. Jetzt hob er die Axt, als wolle er damit zuschlagen, doch Madeline packte gleichzeitig zu. Die Waffe durfte sie ihm nicht kampflos überlassen.
    Geraume Zeit rangen sie um die Axt; ziehend und zerrend, stöhnend und fluchend. Seine Verwundung war jedoch viel schlimmer als die ihre. Bald schon merkte sie, wie er schwächer wurde und schwankte, wie ihm buchstäblich der Saft ausging wie einem aufgezogenen Spielzeugauto. Wahrscheinlich setzte der Blutverlust ihm zu. Kaum zu glauben, dass er überhaupt noch lebte.
    Nach einigem Hin und Her konnte sie ihm die Axt entwinden. Als ihm der Stiel entglitt, blickte Ray mit vor Hass glimmenden Augen zu ihr auf.
    “Damit kommst du nicht durch”, keuchte sie. “Ich mache dich jederzeit fertig, wenn’s sein muss.”
    Er stieß ein seltsames, verbittertes Lachen aus. “Du kannst mich gar nicht fertigmachen. Das hat dein Vater schon besorgt.”
    “Was hat mein Vater dir überhaupt getan?”
    Seine Antwort war bar jeder Gefühlsregung. “Er hat mich scharf gemacht auf meine eigene Tochter.”
    Sie prallte zurück. “Nein! So etwas würde er nie im Leben tun!”
    “Hast du ‘ne Ahnung! Mehr noch! Frag Grace. Wenn ich das richtig sehe, hat er sie vergewaltigt. Mehrmals.”
    Ein haltloses Zittern erfasste sie. Ray versuchte ja nur auf Teufel komm heraus, die Oberhand zu gewinnen. Oder? Mit Sicherheit war er der Besitzer jenes Köfferchens aus dem Cadillac. Bestimmt hatte er das damals ihrem Vater gebeichtet. Der wollte

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