Totgeschwiegen (Bellosguardo)
Isabelle und hat auch zwei Kinder. Wir werden alle gemeinsam feiern.“
„Oh. OK. Aber warum müssen wir gleich Weihnachten mit ihr und ihren Kindern feiern und das auch noch in Bellosguardo - in Mamas Haus?“
„Anna, bitte versteh doch. Unser Leben muss auch ohne deine Mutter weitergehen, wir müssen endlich wieder eine normale Familie werden. Ich habe mich viel zu lange nicht um die ganzen Traditionen gekümmert. Deine Mutter würde es nicht gutheißen, dass wir nicht mehr Weihnachten feiern.“
„Aber dafür brauchen wir doch nicht deine Freundin.“
„Du wirst sie mögen, da bin ich mir ganz sicher.“
„Wenn du meinst, ich muss jetzt Schlussmachen. Habe noch Hausaufgaben. Bis dann, Papa.“
Anna drückte das Gespräch, so schnell sie konnte, weg. Ihr Vater sollte nicht merken, dass sie weinen musste. Was hatte er sich nur gedacht? Drei Jahre war er ununterbrochen unterwegs gewesen, hatte sich nur selten gemeldet und jetzt kam er gleich mit einer Frau und zwei Kindern um die Ecke. Erwartete er etwa, dass sie sich darüber freuen würde?
Sie griff zu ihrem Handy und tippte eine Nachricht an Maya ein.
Papa hat eine Freundin mit zwei Kindern. Das ist die große Überraschung. Mit denen muss ich jetzt an Weihnachten Familie spielen.
Eine Träne lief Anna die Wange hinunter. Zornig wischte sie diese weg.
Die Zimmertür wurde mit Schwung geöffnet und die gutgelaunte Lara stürmte herein.
„Anna, komm, lass mal rüber ins Clubhaus.“ Jetzt erst schien ihr aufzufallen, dass ihre Freundin wie ein Häufchen Elend am Schreibtisch saß.
„Anna, was ist los?“
„Mein Vater hat eine Freundin mit zwei Kindern. Und mit denen muss ich Weihnachten feiern.“
„Oh.“ Mehr sagte Lara nicht.
„Er hätte mich ja wenigstens mal fragen können, ob mir das recht ist.“
„Dass er eine Freundin hat?“
„Nein, dass ich mit einer fremden Frau und ihren Blagen Weihnachten feiern muss. Und das auch noch in unserem Haus.“
„Na ja, vielleicht ist sie ganz nett. Und dein Vater war ja auch sehr allein, oder? Es ist ja nicht jeder so ein Ekelpaket wie mein Stiefvater.“
„Hm, weiß nicht. Das Blöde ist, dass Maya nicht kommt. Da bin ich total in der Unterzahl gegen die Tante mit ihrer Sippe.“
„Ach Anna, das wird schon. Wir gehen jetzt erst mal ins Clubhaus und trinken was, damit du auf andere Gedanken kommst.“
Lara stand schon im Türrahmen und sah ihre Freundin abwartend an.
Resigniert trottete Anna hinter ihr her.
3
„Anna, meine Süße, ich komme später noch vorbei, OK?“, schrie ihr Max ins Ohr. Die Musik dröhnte viel zu laut in ihren Ohren, die internatseigene Kneipe, das sogenannte Clubhaus , war wie gewohnt voll. Jeder Schüler über 16 durfte sich hier zweimal die Woche einfinden und Bier trinken. Der Internatsleitung war es so lieber, denn damit wurde der Konsum von illegal mitgebrachtem Alkohol reduziert und die Schüler tranken sozusagen unter Aufsicht.
„Max, nein bitte, heute nicht“, setzte Anna an. Sie musste es ihm endlich sagen, es war immerhin schon die dritte Abfuhr, die sie ihm zu einem nächtlichen Besuch erteilte.
„Warum denn nicht?“ Die Enttäuschung schwang in Max Stimme mit.
„Max, ganz ehrlich. Ich finde, wir sollten wieder einfach nur Freunde sein.“ Jetzt war es raus.
„Aber Anna, ich liebe dich doch“, stammelte Max verzweifelt.
„Max, ich mag dich, wirklich. Und wir sind super Freunde, aber ich liebe dich nicht.“
„Du hast jemand anderes, stimmt’s? Deswegen gehst du mir auch schon seit Tagen aus dem Weg.“ Seine braunen Augen sahen sie jetzt anklagend an. Wie er da so vor ihr stand, tat er ihr schon fast leid. Aber aus Mitleid mit ihm weiter zusammenbleiben? Das ging ja nun wahrlich nicht. Anna betrachtete ihren guten Freund. Auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet und seine aschblonden Haare klebten ihm am Kopf. Sein gutmütiges und ein ganz klein wenig noch pausbäckiges Gesicht erinnerte sie an ein großes Kind. Der Begriff „Babyface“ kam ihr in den Sinn. Sie fand ihn jetzt noch nicht einmal mehr ansatzweise attraktiv.
„Ich habe keinen anderen “, versuchte sie ihn zu beruhigen.
„Dass du mich einfach so abservierst, hier ...“ Max deutete auf den überfüllten Raum mit der dröhnenden Musik. „Ich muss dir ja gar nichts bedeuten.“
„Was wolltest du denn? Dass ich für dich Spaghetti koche und dir dann bei Kerzenschein sage, dass es mit uns nicht klappt?!“ Anna sah ihn entnervt
Weitere Kostenlose Bücher