Totgeschwiegen (Bellosguardo)
Ich habe für sie und die Kinder gesorgt. Es fehlte ihr doch an nichts.“
„Vielleicht fehlte ihr dein Vers tändnis und deine Unterstützung?“
„Ja, vielleicht. Ich habe es einfach nicht gesehen, nicht verstanden. Ich war viel zu viel mit mir selbst beschäftigt. Diese dumme Affäre war der größte Fehler meines Lebens. Ich habe keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Niemals wollte ich Katharina damit verletzen. Ich habe sie doch über alles geliebt.“ Verzweifelt griff Alexander sich durch seine dunklen dichten Haare. „Sie war am Boden zerstört, als sie von der Affäre erfuhr. Und ich habe sie weiter belogen und soviel heimlich hinter ihrem Rücken gemacht. Ich war ein egoistischer und karriereorientierter Mann und habe meine Belange über die meiner Frau gestellt. Fälschlicherweise habe ich angenommen, dass sich Katharina wieder beruhigt hätte. Sie wirkte ja auch so. Sie hatte mir gesagt, dass sie mir verziehen habe. Ich hatte keine Ahnung, wie es wirklich in ihr ausgesehen haben muss. Zugegeben, ich habe auch nicht nachgefragt. Ich war so froh, als es ihr endlich wieder besser zu gehen schien. Warum hätte ich das Thema wieder aufwärmen sollen?“ Alexander atmete laut aus. „Warum hat sie nur so getan, als ob alles wieder gut wäre? Erst durch das Lesen ihrer Datei, ist mir klar geworden, dass sie ihren Kummer einfach nur totgeschwiegen hat. Und dann die Sache mit Susannes Nichte ... Kein Wunder, dass sie nichts gesagt hat. Ich hatte doch alles, was Susanne betraf, abgestritten.“
Jetzt schrie er über den Parkplatz. „Warum war ich nur so feige? Warum habe ich nicht offen mit ihr geredet? Was würde ich darum geben, wenn ich meine ganzen Lügen rückgängig machen könnte. Mir hat der Mut gefehlt, Isabelle. Ich dachte, wenn Katharina schwarz auf weiß hat, dass ich tatsächlich das Verhäl tnis mit der Kollegin hatte, vor dem sie immer Angst hatte, würde sie mich verlassen.“
In seinen Augen konnte Isabelle die tiefe Verzweiflung sehen. „Isabelle, wie soll ich nur damit leben, dass ich Schuld am Tod meiner Frau bin?“
Sie sah ihn lange an. Sollte sie ihn verlassen? Sie hatte sich in einen Mann verliebt, von dem sie angenommen hatte, dass er seine Frau abgöttisch geliebt hatte und niemals betrogen hätte. Aber in Wirklichkeit war er nicht besser als ihre Ex-Männer. Vielleicht war er sogar noch viel schlimmer.
Constantins Vater war damals noch sehr jung und unreif gewesen, als er sie mit dem Kindermädchen betrog. Und John? Sophias Vater hatte ihr nie etwas versprochen. Er hatte sie als eine lockere Affäre betrachtet und auch so behandelt, nur sie hatte das damals nicht wahrhaben wollen.
„Isabelle, bitte sag doch etwas.“
Sie sah Alexander nachdenklich an. Vor ihr stand ein gebrochener Mann.
„Alexander, das was passiert ist, ist sehr schlimm. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, was ich jetzt tun werde. Ich glaube, du kannst nur die Zukunft besser machen. Sei für deine Kinder da. Für Anna, die dich jetzt dringend braucht. Und auch für Maya, deine Tochter, die ich noch nicht einmal kenne. Wann hast du das letzte Mal mit ihr gesprochen? Wann hast du sie das letzte Mal gesehen? Vor knapp einem Jahr? Gib beiden wieder ein Zuhause, in das sie jederzeit zurückkehren können und vor allem Halt. Sei aufrichtig und ehrlich und verheimliche nichts.“
„Und was ist mit dir, Isabelle? Bleibst du bei mir?“
Sanft strich sie über seinen Arm. In seinem Blick konnte sie die Trauer, die Schuld und Verzweiflung sehen.
Sie öffnete ihre Arme und ging auf ihn zu.
Er umschlang sie und drückte sie fest an sich. Sie merkte, wie er leicht zitterte. Er umarmte sie fester und sie hörte sein schweres Atmen. Ihr Mann weinte.
Isabelle hielt ihn eine Weile in ihren Armen.
Schließlich löste sie ganz behutsam ihre Umarmung und strich ihm zart über die Wange.
Sie würde jetzt zurück nach Hamburg fahren. Aus dem Auto würde sie versuchen Constantin zu erreichen. Ihr Sohn war ihr engster Vertrauter. Er würde sich das alles ruhig anhören und ihr seine Meinung sagen.
Sie drehte sich von Alexander weg und ging auf ihr Auto zu. Plötzlich blieb sie stehen.
Mit einem Schlag wusste sie, was Constantin ihr sagen würde. Ihr fiel seine WhatsApp Nachricht wieder ein.
Ich habe Anna gesagt, dass sie sich bei dir melden soll, wenn was ist.
Und genau das hatte Anna getan. Das Mädchen hatte sie in ihrer größten Not um Hilfe gebeten. Und sie
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