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Totgeschwiegen

Totgeschwiegen

Titel: Totgeschwiegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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möglich gewesen wäre. Vor drei Monaten noch hatte sie das kategorisch abgelehnt. Sie wäre höchstens zum Begräbnis ihrer Mutter angereist – und sogar da war sie sich nicht sicher.
    “Ich weiß, dass Evonne dir sehr viel bedeutet hat”, sagte er. “Sie war ein guter Mensch.”
    Evonne Walker hatte in allem nur das Gute gesehen. Als Grace Stillwater verlassen hatte, war die kinderlose Witwe fünfundsechzig Jahre alt. Sie hatte früher Tag für Tag und bei jedem Wetter unter der Markise in ihrem Vorgarten gesessen und dort hausgemachte Seifen und Lotionen verkauft, Kräuter aus dem eigenen Garten, eingemachtes Gemüse, Pfirsiche und Tomaten, Püree aus Süßkartoffeln und Schokoladenkuchen.
    Evonne war eine besondere Frau, und zwar aus drei Gründen: Sie hatte den Reverend nicht ausstehen können, sie hatte sich immer nur um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert und, sie war stets sehr nett zu Grace.
    Etwa eine Woche nach Evonnes Begräbnis hatte ein Anwaltsbüro Grace ein Päckchen geschickt. Das war der letzte Anstoß, doch noch einmal nach Stillwater zurückzukehren – zusätzlich zu Georges Drängen, sich endlich den Problemen zu stellen, die ihrer Hochzeit im Weg standen. Auch wenn George jetzt wieder mit ihr sprach, war die Sache nicht vom Tisch. Er hatte ihr ein Ultimatum gestellt. In drei Monaten musste sie mit ihrer Vergangenheit zurande gekommen sein. Er wollte nicht sein Leben lang auf etwas warten, was womöglich nie geschehen würde.
    Clay nahm das Gewehr in die andere Hand, als wäre ihm gerade erst wieder bewusst geworden, dass er es immer noch bei sich trug. “Die Leute hier denken, sie hat ihre Rezepte mit ins Grab genommen.”
    “Nein.” Sie waren Evonnes Abschiedsgeschenk, das einzige Geschenk, das Grace jemals von ihr bekommen hatte.
    “Wahrscheinlich hat sie sie dir vermacht, weil du ihr immer geholfen hast”, sagte er.
    Aber Grace glaubte eher, dass Evonne eine Ahnung gehabt hatte, was damals vorgefallen war.
    Trauer und Schuldgefühle vermischten sich mit Bedauern und Verwirrung. Grace spürte einen dicken Kloß im Hals. Sie konnte kaum noch sprechen: “Es ist alles so schrecklich kompliziert, Clay.”
    “So ist es wohl”, stimmte er zu.
    Sie wandte sich wieder ihrem Auto zu. “Es ist schon spät. Ich gehe jetzt lieber.”
    “Warte.” Er fasste nach ihrem Handgelenk, ließ es aber sofort wieder los, als fürchtete er, sie könnte Angst vor ihm bekommen. “Es tut mir leid, Grace, das weißt du doch?”
    Sie konnte den gepeinigten Ausdruck auf seinem Gesicht nicht ertragen. Es war ihr viel lieber, wenn er unbeteiligt dreinblickte. Sie wollte nichts von seinen inneren Qualen wissen. Das nicht auch noch.
    “Ich weiß”, sagte sie leise und ging davon.
    Diese Entscheidung musst du alleine fällen …
    Immer wieder ging Clays Satz ihr im Kopf herum. Meinte er damit, dass er es ihr nicht verübeln würde, wenn sie ihr Schicksal selbst in die Hand nahm? Er hatte nichts von den zweifellos sehr ernsten Konsequenzen gesagt oder davon gesprochen, dass einige Menschen tief verletzt werden könnten. Er hatte ganz einfach die Verantwortung an sie zurückgegeben.
    Sie liebte und hasste ihn dafür.
    Wie sehr sie sich danach sehnte, ihm einmal ganz offen zu begegnen …
    Es klingelte. Sie schob die Kiste beiseite, die sie gerade auspacken wollte, stand auf und ging über den Holzfußboden zur Haustür. Evonnes Verwandte hatten die meisten Möbel abgeholt. Sie wollten sie bei einer Auktion verkaufen. Trotzdem hatte Grace bei Rex Peters, dem Immobilienmakler, angerufen und das Haus gemietet. Sie wollte retten, was noch zu retten war: das Geschirr, die Küchengeräte, ein paar alte Möbelstücke, Gartengeräte und ein paar Fotos. Nun wartete sie auf George, der ihr ein Bett, ein paar Schränke, ein Sofa, Stühle und eine Essecke aus ihrer Wohnung in Jackson bringen sollte. Sie würde drei Monate in Stillwater bleiben – mehr Zeit hatte sie nicht, um “wieder in Einklang mit der Familie zu kommen”, wie George es ausgedrückt hatte. Währenddessen wollte sie nicht in einem halb leeren Haus wohnen.
    Einen Augenblick lang hoffte sie, George würde es so eilig haben, dass er gleich wieder abfuhr. Seit der halbherzigen Versöhnung war ihre Beziehung angespannt, und obwohl sie sich eigentlich freuen sollte, ein bekanntes Gesicht zu sehen, wollte sich dieses Gefühl nicht einstellen. Sie litt darunter, dass er etwas von ihr verlangte, das sie ihm nicht geben konnte. Und sie fürchtete sich davor,

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