Totsein ist Talentsache (German Edition)
rufen.
Zum Abschied sage ich euch: Hier und heute ziehe ich mich zurück. In
meinen Kreis. Den inneren Kreis.
Glaubt mir, wenn ihr den Geist habt. Vertraut mir, wenn ihr das Herz
habt. Folgt mir, wenn ihr den Mut habt.
J.O.K.E.R.
„Bissl irre, der Alte, oder?“ Katja gibt Jo das Blatt
zurück. „Mag sein“, antwortet Jo. „Aber so abwegig sind seine Theorien ja
offenbar nicht, oder? Sind sie damals nicht gewesen. Und sind sie heute noch
viel weniger.“ – „Das ist allerdings wahr. Na gut, gehen wir davon aus, dass
dieser Joker recht hat. Wie geht´s weiter? Ich meine, wir können ja schlecht an
die Öffentlichkeit damit gehen. Außerdem brauchen wir mehr Beweise. Nur – wo
finden?“ Jo zögert einen Moment mit seiner Antwort. Er sieht Katja von der
Seite an und beißt auf seiner Unterlippe herum. Schließlich sagt er: „Ich
persönlich glaube, dass ihre Zentrale in Wien ist. Wahrscheinlich hat sich die
Truppe in irgendeinem Bunker häuslich eingerichtet und lenkt von dort aus die
Geschicke des Landes. Der Innere Kreis geht sogar noch weiter.“ Jo hält
einen Augenblick inne und sagt dann: „Lainz. Ja, das Lainz.“
Schnaufend lässt er sich neben Katja auf den Boden
fallen. „Von dort aus wird regiert. Und großräumig vertuscht. Deswegen gibt’s
meiner Meinung nach ja auch diese argen Reisebeschränkungen. Ich glaub nämlich,
dass ausländische Gäste nur deshalb sehr vereinzelt ins Land gelassen werden,
damit sie nicht spionieren können. Urlaub in Österreich ist sehr teuer und die
Auflagen für eine Einreise so hoch, dass den meisten von vornherein die Lust
vergeht. Wer dennoch weder Kosten noch Mühen scheut, wird bis zur Ausreise auf
Schritt und Tritt beobachtet. Oder verschwindet spurlos. Und der Österreicher
an sich verspürt ohnehin keine große Lust, zu verreisen. Das liegt daran, dass
er im Land alles findet, was er zur Erholung braucht. Dafür hat man mit
Themenparks, Erholungszentren und Freizeitanlagen gesorgt. Außerdem machen die
negativen Schlagzeilen das Ausland nicht rasend attraktiv für eine Reise mit
Kind und Kegel. Die miserable internationale Tourismuswerbung erledigt den
Rest.“
Wenn tatsächlich System hinter der ganzen
Angelegenheit steckt – und das wird immer offensichtlicher – dann ist es ein
sehr gut durchdachtes. Eines, das selbst das kleinste Rädchen im Getriebe
sorgfältig beobachtet und jedes störende Sandkörnchen sofort und unerbittlich
entfernt.
„Wetten, dass die AFFEn da irgendwie mit drin
hängen?“, fragt Katja. Ohne eine Antwort abzuwarten, fährt sie fort: „Sicher
tun sie das. Ich denke, grundsätzlich haben wir alle Ungereimtheiten geklärt,
wenn ich das richtig sehe“, meint Katja und fügt hinzu: „Wovon wir jetzt mal
ausgehen.“ Augenblicklich nickt Jo. Rundum geht die Welt zugrunde und selbst
Österreich ist nicht mehr das, was es einmal gewesen ist. Aber solange Katja
noch von ihrer Unfehlbarkeit überzeugt ist, besteht auf jeden Fall Anlass zur
Hoffnung.
„Jetzt wär halt
nur mehr interessant zu wissen, wer so genial und mächtig ist, das Ganze auch
noch mit Links zu schupfen.“
Einen Moment lang sehen sich Katja und Jo an und
spüren, dass sie das Gleiche empfinden: anerkennendes Verständnis für die
Menschen, die das Ding vor mehr als 60 Jahren aufgezogen haben. Und grenzenlose
Bewunderung für jene, die es seit drei Jahrzehnten schaffen, ein Land und
großteils sogar die ganze Welt nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Die Medien,
Wirtschaft und Politik derart fest in der Hand haben, dass weder die eigene
Nation noch die übrige Weltbevölkerung auch nur ansatzweise Lunte riecht.
Schweigend hocken die beiden eine Weile da und
überlegen, wie sich die Weltherrschaft anfühlt. Jeder kommt für sich zu dem
Schluss, dass es ein tolles Erlebnis sein muss. Und dass es sich bestimmt gut
im Lebenslauf macht. Die Fantasien unterscheiden sich nur darin, dass Jo Katja
die Rolle der starken Frau an seiner Seite zudenkt, während sie ihn als eine
Art Schoßhund mit erweiterten Kompetenzen sieht. Die Aufgabenteilung ist
gegebenenfalls noch zu klären.
Allerdings würde ein Aufdecken der Sache sehr viel
Ungemach mit sich bringen: Erst auf nationaler, dann auf internationaler Ebene
müsste das System unweigerlich in sich zusammenbrechen. Das will man ja nun
auch wieder nicht. Besonders, weil es bisher ja ganz gut funktioniert hat,
sieht man von ein paar Freiheitsbeschränkungen und einigen Entführungen ab. Das
ist zumindest Katjas
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