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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alkestis Sabbas
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ist.
    Wie immer ist
die Elite aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien versammelt:
Bundespräsident Hans Jäger, Klara Zehner, Marianne und Walter Fechmann, der
geniale Naturwissenschafter Robert Beutler und viele mehr. Weit über 100
Außerordentliche sind mit ihren Sekundanten da. Manche mächtig und
einflussreich, andere nicht ganz so bedeutend, aber dennoch ihren Beitrag
leistend. Alle AOs des Landes sind der Einladung gefolgt. Nicht, dass sie eine
Wahl gehabt hätten. Wer Macht besitzt, hat seinen Terminkalender nur selten bei
der Hand und niemals im Griff. Dafür gibt es schließlich Assistenten. Und wenn
die feststellen, dass ein Geschäft abzuschließen, ein Kinderkopf zu tätscheln
oder ein Mittagsschläfchen zu halten ist, dann ist das so. Ohne die Sekundanten
geht gar nichts. Es ist wie in einem Bienenstock. Da zieht die Königin ja auch
nicht los, um Honig zu sammeln und Blüten zu befruchten. Ihre Aufgabe ist es,
das Große im Ganzen zu sein. Um Details haben sich die Arbeiter zu kümmern.
    Persönlicher Assistent zu sein ist hierzulande ein
Vollzeitjob. Im Wortsinn. Wer sich diesem Beruf verschreibt, hat ein
sagenhaftes Einkommen und keine Zeit, es auszugeben. Viele lassen sich neben
dem äußerst attraktiven Gehalt von der Aussicht locken, gewissermaßen zur
Führungsspitze des Landes zu gehören. Auf der Straße werden die Sekundanten wie
Berühmtheiten bejubelt. Schließlich sieht man sie viel öfter als die
Außerordentlichen. Sie stehen bei öffentlichen Auftritten an vorderster Front,
während ihre Vorgesetzten sich jovial winkend im Hintergrund halten oder gar
nicht erst erscheinen.
    Natürlich wissen
die wenigsten am Anfang, worauf sie sich da einlassen. Und dann ist es sehr
schnell zu spät. Denn so etwas wie Pensionierung gibt es nicht und eine Lösung
des Dienstvertrages durch den Arbeitnehmer wäre Selbstmord. Der Job bringt eine
lebenslange Mitgliedschaft im Klub der überbezahlten Leibeigenen mit sich.
Einzig Versagen auf ganzer Linie hat eine vorzeitige Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zur Folge. In der Theorie. Tatsächlich hat das schon lange
keiner mehr riskiert, denn eine fristlose Abberufung ist in diesem Job sehr
wörtlich zu nehmen.
    Ein leiser Aufschrei, gefolgt von einem kleinen
Tumult auf der anderen Seite des Saales, unterbricht Johanns Betrachtungen.
Neugierig reckt er seinen Kopf, um die Ursache der Aufregung erkennen zu
können: Eine trotz ihres jugendlichen Alters mütterlich wirkende Frau hat sich
die linke Hand vor den Mund geschlagen und hält mit den spitzen Fingern ihrer
Rechten ein Stück knorpeliges Gewebe in die Höhe.
    „Da schau her!
Hätte nicht gedacht, dass Klara Zehner jemand ist, der ein Ohr für alle hat.
Arme Eva, sie hat sich offenbar auch nach fünf Jahren noch immer nicht daran
gewöhnt. Und die anderen stehen mal wieder nur da und grinsen blöd“, sagt
Johann, als er sich den Weg durch die Menge bahnt. Er nimmt der leichenblassen
Eva Hirtl das Ohr weg und heftet es mit geschickten Händen an Klara Zehners
Kopf fest. Ohne ein Wort des Dankes abzuwarten, geht er zurück zu Friedrich,
der unbeeindruckt von dem Trubel auf seinem Platz sitzt. Sorgfältig verstaut
Johann die Klammermaschine in seiner Umhängetasche, in der er – ganz Profi –
ständig eine Art Erste-Hilfe-Koffer mit sich trägt. Wie immer nach einem
Einsatz kontrolliert er akribisch den Inhalt: ein Hefter plus Klammern,
Superkleber, Metallschienen verschiedener Größen, Schrauben und Nägel ebenso
wie das entsprechende Werkzeug. Man will ja nicht, dass der Chef aus dem Leim
geht. Ein kleines Schminkset, Kontaktlinsen sowie diverse Ampullen und Spritzen
gefüllt mit schimmernden Flüssigkeiten sind in einem separaten Täschchen
aufbewahrt. Für den Fall, dass der Boss mal das Gesicht verliert. Schließlich
ist bei Anlässen wie diesem nicht der gesamte Stab anwesend, der sich sonst um
Friedrichs Zustand kümmert. Sein Leibwächter genießt einen freien Tag mit
seinem Zuchtpudel, der Leibarzt ist mit dem Herstellen neuer Prothesen beschäftigt
und die Schminktante besucht einen Fortgeschrittenenkurs zur Herstellung von
Latexmasken.
    Gerade, als sich die Unruhe wieder gelegt hat, tritt
ein Mann ans Rednerpult und räuspert sich lautstark. Von links betrachtet wirkt
er wie der feuchte Traum jeder geschlechtsreifen Frau. Wirft man einen Blick
auf seine andere Gesichtshälfte, stören eine schlecht verheilte Narbe auf der
Wange und das nur mehr rudimentär vorhandene Ohr

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