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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alkestis Sabbas
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empfindlich die Harmonie. Dass
auch der Arm nur mehr als Stummel sein Dasein fristet, fiele da höchstens noch
beim Seiltanzen ins Gewicht. Siegfried Wust gehört zur Leibgarde. Er ist Auge,
Ohr und Faust von Felix Austriacus . Über ihm steht nur mehr einer. Wäre
er nicht so beängstigend mächtig, könnte man ihn fast bedauern: Er ist die
rechte Hand ohne rechten Arm.
    Johann ertappt
sich dabei, dass er sich mit einem koketten Lächeln durch sein ordentlich
frisiertes Haar fährt. Jedes Mal reagiert er so auf Siegfrieds Erscheinen.
Gleich, ob bei den Quartalssitzungen oder wenn er sich mit Wust auf einen
Plausch unter Gleichgesinnten trifft. Im Laufe der Jahre haben die beiden so
etwas wie eine Freundschaft entwickelt, da sie sich in vielen Dingen ähnlich
sind. Zu Johanns Bedauern bezieht sich dieses Einvernehmen hauptsächlich auf
die Vor- und Nachteile einer hohen Position bei Felix Austriacus , dehnt
sich jedoch nicht auf jene Möglichkeiten aus, die eine etwas persönlichere
Beziehung mit sich bringen würde. Dabei ist sich Johann an manchen Tagen
ziemlich sicher, dass Siegfried einem Dasein als Meerjungfrau auch nicht ganz
abgeneigt wäre. Er würde es nur leider nie zugeben.
    Langsam verstummt das ohnehin gedämpfte Gemurmel und
die Anwesenden erstarren endgültig in Ehrfurcht. Einzig ein paar Staubkörner
tanzen in den schräg einfallenden Strahlen der Sonne unbeeindruckt einen
langsamen Walzer.
    „Meine Damen und
Herren, werte Sekundanten! Willkommen zu unserem vierteljährlichen Treffen! Wie
Sie der Agenda entnehmen können, steht erst ein Rückblick auf ein äußerst
erfolgreiches zweites Quartal auf dem Plan. Danach werden Sie über die weiteren
Schritte für die kommenden Monate informiert. Anschließend gibt es die – wie
ich sehe, für einige überfällige – Generalüberholung. Bitte beachten Sie, dass
unser Team auch heute ausschließlich Cerebralmodifikationen vornehmen wird.
Allfällige körperliche Gebrechen sind vom Stab eigenverantwortlich zu beheben.
Sekundanten und Mitarbeiter haben schließlich beim Abendessen, das heute unter
dem Motto Karibische Nächte steht, Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch.
Bitte geleiten Sie zuvor Ihre Schützlinge in den Hof, wo dieses Mal heimische
Genüsse auf sie warten. Und nun begrüßen Sie gemeinsam mit mir den Mann, auf
den Sie alle schon gespannt warten… Der Herr über Arm und Reich, Gut und Böse,
Leben und Tod … Janus G. Romero!“
    Respektvoller Applaus hebt an, als ein Knacken aus
den Lautsprechern, die in den Ecken des Raumes hängen, ertönt. Er wird also
auch heute nicht persönlich erscheinen. Das tut er nie. Niemand, der nicht
ständig und vor allem direkt mit ihm zu tun hat, ist ihm je begegnet. Janus hat
das Inkognito völlig neu definiert.
    „Mitwisser – Sekundanten – Außerordentliche! Ich bin
stolz auf jeden einzelnen Anwesenden. Sie alle haben in den vergangenen Monaten
hervorragende Arbeit geleistet und sind Ihren Pflichten in vorbildlicher Weise
nachgekommen. Lassen Sie mich das in Zahlen darstellen …“
    Johann Schmid strengt sich wirklich an, um
interessiert zu wirken. Die Zahlen fesseln ihn schon lange nicht mehr. Ihm ist
klar, dass die letzten Monate erfolgreich gewesen sind. Und er weiß, dass jeder
seine Pflicht erfüllt hat. Sonst wären sie nicht vollzählig hier. Mindestens
einer würde dann vorne stehen und die wahre Bedeutung von „ein Exempel
statuieren“ erfahren. Johann hat das einmal miterlebt. Gleich bei seinem ersten
Quartalstreffen. Der Delinquent hat an einem relativ ereignislosen Arbeitstag
für eine Stunde seinen AO alleine gelassen und seine sterbende Mutter besucht.
Dadurch hat sein Unternehmen neben einem peinlichen Zwischenfall mit einer
Promenadenmischung einen Verlust von knapp 500.000 Schilling hinnehmen müssen.
Der Mann ist damals vor versammelter Mannschaft in der Luft zerrissen und
anschließend der Meute zum Fraß vorgeworfen worden. Seither ist Schmid äußerst
motiviert.
    Auch als Janus
von seinen Plänen für die Zukunft spricht, hört Johann nur mit einem Ohr zu.
Erstens, weil alle Anwesenden ohnehin ein hundertseitiges Memorandum zum Thema
erhalten. Und zweitens, weil Romero seit Jahren immer das gleiche
prognostiziert: Wirtschaftswachstum um mindestens 13 Prozent, Ausbau der
staatlichen Überwachung, Sicherung des sozialen Friedens durch intensivierte
Volksverdummung.
    „Erzähl uns mal was Neues, Meister. Wir wissen, dass
du unser aller Leben in der Hand hast. Wir wissen, dass du

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