Totsein verjaehrt nicht
dachte er nicht daran, dass Feldkirch ihn dabei beobachtete. »Diese Frau, die Taxifahrerin, wie heißt die noch mal?«
»Ann-Kristin Seliger. Dennis’ Onkel muss von ihr gesprochen haben, bestimmt hat er mich dann auch erwähnt.«
»Wieso Sie?«
»Weil nicht jede Taxifahrerin einen Lebenspartner hat, der bei der Mordkommission arbeitet. Das wissen Sie ja alles. Genau wie Dennis. Ob Sie ihr aufgelauert haben oder ob sie ein zufälliges Opfer war, darüber sprechen wir später. Auch über die Gründe der Misshandlung. Fest steht, Sie und Dennis haben die Frau überfallen und schwer verletzt. Sie und Dennis haben fünf Taxifahrer überfallen und beraubt und einen von ihnen getötet. Ich sage nicht ermordet, weil wir noch nicht wissen, ob Sie vorsätzlich gehandelt haben, auch darüber sprechen wir erst in den nächsten Tagen. Mir gehts im Moment darum, herauszufinden, ob Sie Ihrem Freund beistehen oder die Sache so wie bisher weiterlaufenlassen wollen. Das sollten Sie jetzt entscheiden, weil wir in spätestens zwei Stunden einen Termin beim Haftrichter haben. Ihm liegen unsere Ermittlungsergebnisse vor, und Sie müssen davon ausgehen, dass Sie allein wegen Fluchtgefahr nicht auf freiem Fuß bleiben werden. Sie sollten einen Anwalt hinzuziehen, Herr Yilmaz.«
Fischer hätte noch länger, viel länger so weitersprechen wollen, es war so leicht. Der Text bereitete ihm keine Schwierigkeiten, er kannte ihn auswendig. Diese Rolle war ihm auf den Leib geschrieben.
»Herr Fischer«, sagte Yilmaz, »wollen Sie mich einschüchtern?«
Sofort wusste Fischer, wie er auf eine solche Frage reagieren musste. Sein Schweigen war beinah Routine, sogar dass es ihm schwerfiel, gehörte dazu.
Yilmaz ruckelte mit den ineinandergekrallten Händen.
Eine Zeit lang war es still.
Valerie schüttelte ihre Handgelenke, warf Feldkirch einen schnellen Blick zu, beugte sich wieder über den Laptop.
»Sie können mich nicht einschüchtern, Herr Fischer. Sie können mich auch nicht beleidigen.«
»Habe ich Sie beleidigt?«
»Sie haben gesagt, zum Lügen ist niemand zu dumm.«
»Fühlen Sie sich dadurch beleidigt?«
»Schon.«
»Dann ziehe ich den Satz zurück.« Fischer schaute zu Valerie. »Streichen Sie bitte den Satz aus dem Protokoll.« Er wandte sich wieder an Yilmaz. »Die Spuren, die wir von Ihnen an den Tatorten gefunden haben, reichen aus, Sie anzuklagen. Ihr Freund Dennis wird ein Geständnis ablegen, das wissen Sie. Er hat sich bemüht, viel von Ihnen zu lernen, aber er bleibt der, der er ist, er wird nie so sein wie Sie.«
»Wie denn? Wie bin ich? Wie?«
»Wie würden Sie sich selbst einschätzen?«
»Ich bin ein Händler.«
»Weil Sie handeln.«
»Sehr gut, Herr Fischer.«
»Sie handeln, weil Sie sich das Handeln nicht aus der Hand nehmen lassen wollen.«
Mit einem Ruck beugte Yilmaz sich vor und schlug die Faust in die Hand. »Auf den Punkt, Herr Fischer! Handeln. Was machen. Nicht rumsitzen. Dinge planen und durchführen. Das ist das, was ich dem Faust beigebracht hab, dem faulen Sack. Dem konntest du früher die Fürze aus der Hose löffeln, so lahmarschig hing der den ganzen Tag rum. Dem war alles egal. Der hat so einen wie mich gebraucht. Hab ihn fit gemacht für draußen. Ich komm aus einer Familie, Herr Fischer, da passiert nichts. Das Einzige, was sich da jemals bewegt hat, war der Bus aus der Türkei nach Deutschland. Dann sind die aus dem Bus rausgekippt worden, rein in ihre Zweizimmerwohnungen, und da hocken die immer noch. Meine Mutter kann heut noch nicht richtig Deutsch. Ich war Hauptschule, hab dann auf die Realschule gewechselt, das geht, Herr Fischer. Was tun, handeln, so klappts. Mein Vater ist Gemüsehändler. Wie mein Onkel, sein Bruder, der Laden läuft, kein Problem. Goethestraße. Alles unter Kontrolle. Glauben Sie, ich wollt da enden? Ich bin vierundzwanzig, ich arbeit beim Elektro Baumgart, ich kenn mich aus mit der Technik, ich bin gelernter Radio- und Fernsehtechniker, ich hab meine Lehre zu Ende gebracht, ich schon.«
»Im Gegensatz zu Ihrem Freund Dennis«, sagte Fischer. Nichts an ihm verriet seine Anspannung. Aber Feldkirch sah seinen fiebernden Blick und vermutete, dass Fischer begonnen hatte, etwas zu ahnen, das auch ihn seit einer Weile beschäftigte. Zum ersten Mal bedauerte Feldkirch, dem Verdächtigen nicht ins Gesicht sehen zu können.
In diesem Moment drehte Yilmaz den Kopf. Er sah Feldkirch an, schniefte und wandte sich wieder ab, zurückgelehnt, mit baumelnden Armen.
»Wieso
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