Totsein verjaehrt nicht
das war der Plan, das war das Training. Vergessen?«
»Das Training für Dennis.«
»Einerseits: Training. Andererseits: Herr Fischer. Ist der so, wie seine Freundin behauptet hat? Kann der was? Findet der Leute wie uns, Dennis und mich? Ah ja.«
»Sie haben also mit Frau Seliger gesprochen.«
»Hab ich. Nicht beim letzten Mal, ist klar, war keine Zeit. Zwei, drei Wochen vorher. Bin zu ihr ins Taxi gestiegen, wir sind ihr dauernd hinterhergefahren. Nichts gemerkt, die Frau. Hab mit ihr gesprochen. Hab ihren Mann gelobt, den Kommissar aus der Zeitung. Wusst ja von Onkel Claus, dass sie die Freundin ist. Dem Onkel Claus hat sie vorgesülzt von ihrem Kommissar. Weiß der Herr Fischer alles nicht. Wo bleibt meine Apfelschorle?«
»Die Raubüberfälle, die schweren Körperverletzungen, der Mordanschlag auf Ann-Kristin Seliger dienten dazu, Dennis Socka das Leben zu erklären«, sagte der Kommissar. »Hab ich das richtig verstanden?«
»Auf den Punkt.«
»Was ist das für ein Leben, das Sie ihm erklären wollten?«
»Was für ein Leben? Ich hab keine Ahnung, was Sie für ein Leben haben, ich hab das da, und darum gehts: nehmen, was man kriegen kann, muss nicht illegal sein. Aber: Wenn die Dinge nicht laufen, muss man sie zum Laufen bringen. Sonst: Schrottplatz. Dann ist Ihr Leben ein Schrottplatz.«
»Wenn Sie wegen Mordversuchs und mehrfacher schwerer Körperverletzung angeklagt werden, haben Sie Ihr Leben eher nicht vergoldet«, sagte Feldkirch.
»Was soll ich mit einem vergoldeten Leben? Dass man keinen Rost ansetzt, darum gehts. Fertig jetzt.«
»Sie haben Ihren Freund dazu gebracht, Verbrechen zu begehen. Glauben Sie, er hat jetzt verstanden, worum es im Leben geht?«
»Totsicher hat der das verstanden. Machen Sie sich keine Sorgen um uns. Wenn wir raus sind aus dem Knast, geht das Leben weiter. Wir sind jung, das können Sie nicht verstehen, Knast gehört dazu.«
»Zu dem Leben, das Sie meinen.«
»Zu dem Leben, das ich mein.«
Die Tür wurde geöffnet. Fischer kam herein und ging zum Tisch. Valerie begann sofort zu tippen.
»Welches Leben meinen Sie?«, fragte Fischer.
»Meins«, sagte Yilmaz. »Wo ist meine Apfelschorle?«
»Nehmen Sie Ihr Leben nicht allzu persönlich«, sagte Fischer.
Yilmaz nickte, verzog das Gesicht, nickte noch einmal. »Frag mal deine Freundin, wie die das sieht.«
»Der Termin beim Haftrichter hat sich verschoben«, sagte Fischer, der sich nicht wieder hingesetzt hatte. »Wir können sofort zu ihm.«
»Herr Fischer«, sagte die Schwester am Telefon. »Wir haben Ihre Freundin aus dem künstlichen Koma geholt. Sie ist nicht ansprechbar, aber die Werte sind im Augenblick stabil.«
Fischer stand auf der Treppe und merkte nicht, wie er nach Liz’ Hand griff.
Zwei Streifenbeamte brachten den gefesselten Yilmaz zum Haftrichter ins Präsidium. Fischer und Liz Sinkel gingen zu Fuß in Richtung Ettstraße, nebeneinander. Er hielt nicht mehr ihre Hand.
Ein frostiger Wind blies ihnen ins Gesicht. Fischer dachte an Luggis Mantel, der immer noch im KriminaltechnischenInstitut lag. Bei der Gegenüberstellung hatte Luggi erklärt, er ertrage Fischers Mantel schon noch einen weiteren Tag.
»Ich habe noch kein einziges Mal im Krankenhaus gebetet«, sagte Fischer, als sie auf dem Domplatz, gegenüber der grünen Fassade des Polizeipräsidiums, ankamen.
Liz erwiderte nichts.
Passanten, Touristen hasteten an ihnen vorüber.
»Stell dir das vor«, sagte Fischer.
»Du hattest keine Zeit zum Beten«, sagte Liz. »Du hast mit Ann-Kristin gesprochen.«
»Das ist wahr. Nur wer wesentlich schweigen kann, kann wesentlich reden.«
Liz zog die Stirn in Falten.
»Der Satz stammt von einem dänischen Philosophen.«
»Kierkegaard«, sagte sie.
»Du hast ihn gelesen?«
»Er ist der einzige dänische Philosoph, von dem ich den Namen kenn.«
Fischer lächelte. »Du bist eigenartig.«
»Du verwechselst mich«, sagte sie. »Du bist eigenartig. Was ist mit der Geschichte von Scarlett? Verfolgst du die jetzt wieder? Heimlich?«
»Vielleicht taucht das Mädchen wieder auf. Morgen mittag treffe ich den Jungen, der den Brief geschrieben hat.«
»Das ist lächerlich, P-F.«
»Behalts für dich.«
Sie blickte zum Präsidium. »Glaubst du, Jockel Krumbholz hat das Mädchen ermordet?«
»Stell mir nicht diese Frage«, sagte Fischer. »Was nützt uns meine Antwort?«
»Glaubst du, er hat sie getötet?«
Fischer drückte seinen Stetson tiefer in die Stirn. »Ich weiß es nicht. Ich war
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