Totsein verjaehrt nicht
einem Café in Berg am Laim und trank heißen schwarzen Kaffee.
»Glück ist das nur zu einem geringen Teil. Der Mann heißtSerkan Yilmaz, genannt Ziggi, ein vierundzwanzigjähriger Verkäufer in einem Elektrogeschäft. Er wird gerade hergebracht. Willst du bei der Vernehmung dabei sein?«
»Ich spreche allein mit ihm«, sagte Fischer.
»Keine gute Idee«, sagte Feldkirch.
»Allein, in meinem Zimmer.«
»Das schaffst du nicht.«
Auf der Kreillerstraße rasten die Autos vorüber, sie rasten durch Fischers Kopf, eines nach dem anderen. Yilmaz, dachte er, Yilmaz. Ein gewöhnlicher türkischer Name, vermutlich ein gewöhnlicher türkischer Mann.
»Yilmaz«, sagte Fischer. »In einer Stunde in meinem Raum.«
»Nur zusammen mit mir«, sagte Feldkirch.
»Nein.«
»Mit mir oder ohne dich.«
Jedes Mal, wenn Fischer einen Schluck trank, verursachte der heiße Kaffee einen Schmerz in seinem Zahnfleisch. Der Kaffee schmeckte nach nichts.
»Wo bist du denn?«, hörte er seinen Kollegen fragen.
»Ich frage, du hörst zu.« Fischer stellte die noch halb volle Tasse auf die weiße zerkratzte Kunststoffplatte. »Hat das LKA den Mantel zurückgebracht?«
»Noch nicht.« Bevor er antwortete, hatte Feldkirch den Hörer zugehalten und seinem Vorgesetzten erklärt, was Fischer vorhatte, und Weningstedt hatte nach kurzem Nachdenken genickt. »Um zwölf kommt Dorn zu einer Gegenüberstellung, vielleicht haben wir bis dahin den Mantel. Und jetzt verrat mir, wo du dich den ganzen Vormittag rumtreibst.«
»Mein Dienst fängt erst um zwölf an«, sagte Fischer.
»Bist du sicher?« Feldkirch meinte es ironisch, doch Fischer hatte nur die Worte wahrgenommen.
»Nein«, sagte er. »Du hast recht, mein Dienst hört nie auf. Ich bin gleich da.« Er drückte den roten Knopf und steckte das Handy in die Anoraktasche.
Zum ersten Mal an diesem Vormittag fiel ihm auf, wie lichtlos dieser Tag war, als hätte er nie begonnen. Solche Tage hatte Fischer schon unzählige erlebt, die meisten davon in seiner Zeit im Kloster.
9
»Dann ist Ihr Leben ein Schrottplatz«
»In dem Lokal war ich nie«, sagte Serkan Yilmaz. »Ich kenn das Lokal nicht, ich geh nicht in solche Pennerlokale. Fertig.«
Bei der Gegenüberstellung hatte Ludwig Dorn den jungen Mann als Gast im Torbräu und Freund von Dennis Socka eindeutig identifiziert.
Yilmaz saß am Tisch bei Polonius Fischer, der nichts als einen Schreibblock vor sich liegen hatte. Den Kugelschreiber steckte er jedes Mal, nachdem er sich Notizen gemacht hatte, in die Brusttasche seines weißen Hemdes. Feldkirch, der bei der Tür stehen geblieben war, kam die Geste vor wie ein Tick. Valerie dagegen schien nichts zu bemerken, sie saß am Bistrotisch, schrieb die Aussagen in ihren Laptop und ließ nicht die geringste Regung erkennen. Zwischendurch schüttelte sie ihre Arme aus.
Yilmaz trug eine schwarze Trainingshose mit weißen Streifen, ein schwarzes Sweatshirt und eine graue Nylonjacke. Er saß breitbeinig vor Fischer, die Hände hinter der Stuhllehne verschränkt. Um Feldkirchs Anwesenheit schien er sich nicht weiter zu kümmern. Der Vierundzwanzigjährige wurde nicht als Zeuge, sondern als Verdächtiger vernommen. Doch er machte weder von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, noch hatte er bisher nach einem Anwalt verlangt. Er wirkte ruhig, abgeklärt, unerschütterlich. Die ganze Zeit dachte Feldkirch darüber nach, woher diese zur Schau gestellte Gelassenheit rühren mochte.
»Sie streiten ab, jemals in der Gaststätte am Sendlinger Tor gewesen zu sein«, sagte Fischer.
»Das streit ich ab.«
»Dann lügen Sie.«
»Ich lüg doch Ihnen nicht ins Gesicht. Ich kann gar nicht lügen, Herr Fischer, war immer schon so.«
»Zum Lügen ist niemand zu dumm.«
Ein kurzer Ruck ging durch seinen Körper, dann hatte Yilmaz sich wieder unter Kontrolle. »Was werfen Sie mir noch vor, Herr Fischer?«, sagte er in monotonem Tonfall.
»Das habe ich Ihnen alles ausführlich erklärt.«
»Mordversuch, Körperverletzung, was noch? Raub natürlich, Menschenraub. Bleibt nichts mehr übrig. Ich hab nichts getan, Sie verrennen sich total. Herr Fischer.«
Warum, fragte sich Feldkirch, nannte Yilmaz so häufig Fischers Namen? Aus dumpfer Provokation? Was verband er mit dem Namen? Dachte er dabei an Ann-Kristin Seliger, und wenn ja, welche Beziehung hatte er zu Fischers Freundin?
»Dann müsste ich Sie ja gehen lassen«, sagte Fischer.
»Regnets noch?«
Nach dieser Erwiderung dachte Feldkirch zum ersten
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