Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
eingestanden, und Fischer hatte ihm noch einmal für den Brief und seine Wachsamkeit gedankt. Beim Abschied hatte Marcel dem Kommissar eine schneekalte Hand gegeben, und ohne den Kaffee seiner Mutter angerührt und eine ihrerFragen beantwortet zu haben, war er wieder in seinem Kellerstudio verschwunden.
    Damit war der Fall endgültig erledigt. Alles abgeschlossen, hatte Fischer zu Linda Thalheim an der Haustür gesagt, verzeihen Sie meine Aufdringlichkeit. Sie hatte ihn verwirrt angesehen.
    Er war die Berger-Kreuz-Straße hinuntergegangen, den Hut tief in die Stirn gezogen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, im kalten Wind, mit ausladenden Schritten, sehr bestimmt auf den ersten Blick. Doch wer ihn eine Zeit lang beobachtet hätte, hätte ihn taumeln und innehalten und sich im Kreis drehen sehen, auf der Suche nach dem Weg. Ein Taxifahrer hielt an. Wie in Panik wich Fischer zur Seite, schüttelte den Kopf und eilte mit ruckenden Schultern davon.
    Nach einer Stunde, die er stehend am Fenster verbracht hatte, legte er sich aufs Bett. Er presste die Arme an den Körper und schloss die Augen. Er hörte sein Herz zur Stimme des Mädchens schlagen. Er dachte an das Gespräch mit Hanno Rost, den er für einen Lügner hielt, ohne dass er, Fischer, einen Nutzen davon hatte. Er hörte das Sirren der Apparate neben Ann-Kristins Bett.
    Mit einem Ruck setzte er sich aufrecht hin, um nicht ersticken zu müssen.
     
    »Weningstedt ist wieder im Krankenhaus«, sagte Liz am Telefon. »Wahrscheinlich kriegt er einen dritten Bypass. Angeblich besteht kein Anlass zu größerer Sorge. Was die Ärzte halt so sagen müssen. Wo bist du?«
    »Ich fahre jetzt los.«
    Liz sagte: »Ich frag dich nicht, wo du heut Nacht warst.«
    »Hat die Vernehmung schon angefangen?«, fragte Fischer. Er hatte keine Minute geschlafen und war nur mit größter Anstrengung aus dem Bett gekommen. Wenn Liz nicht angerufenhätte, wäre er vielleicht immer noch dagelegen, wie in einem Starrkrampf, umtost von Stimmen, umzingelt von Gesichtern.
    »In einer halben Stunde«, sagte Liz. »Micha und Neidhard werden Dennis in die Zange nehmen. Außerdem, P-F, haben wir einen Mord an einem kleinen Jungen. Die Mutter ist flüchtig. Der Junge wurde erdrosselt oder erwürgt, das steht noch nicht fest. Nachbarn haben über den Balkon Schreie gehört. Könnte sein, dass die Mutter die Täterin ist.«
    »Und das Motiv?« Fischer suchte auf der St.-Martin-Straße nach seinem Auto.
    »Wissen wir noch nicht. Fünf Jahre alt ist der Bub. Ach ja: Das LKA hat den Mantel bringen lassen, die Untersuchung ist abgeschlossen. Sollen wir den wo hinschicken?«
    »Ich bringe ihn dem Besitzer selber.« In einer Seitenstraße, die neben einem Blumenladen abzweigte, entdeckte Fischer den grünen Mitsubishi.
    »Und noch was solltest du wissen.«
    Fischer sperrte auf, öffnete die Fahrertür und stützte sich auf dem Dach ab. Ihm war schwindlig, ihm war schlecht vor Hunger.
    »Hast du was zu essen?«, sagte er.
    »Bitte?«
    »Ich muss was essen, Liz.«
    »Du sprichst so leise.«
    »Kannst du mir zwei Semmeln besorgen, bitte?«, sagte Fischer. Seine rechte Hand flatterte auf dem Autodach, nicht weniger als die linke, mit der er das Handy ans Ohr drückte.
    »Mach ich, P-F. Micha weiß übrigens von deinen Nachforschungen.« Weil Fischer nichts erwiderte, sagte sie: »Er hat Valerie ausgefragt, weil er die alten Unterlagen gesehen hat, die Tür zu deinem Zimmer war offen. Er ist sauer, das ist logisch, er war damals der Held.«
    »Er war kein Held«, sagte Fischer laut. Das Handy rutschte ihm aus der Hand, schlug auf dem Asphalt auf und die Rückklappe sprang ab. Bis Fischer es schaffte, sich zu bücken, vergingen mehrere Minuten, in denen sein Zorn auf das Wort Held seinen Hunger vertrieb.
     
    Er trug eine gemusterte Steppjacke, schwarze Jeans und klobige schwarze Schuhe und stand, als Fischer die Treppe heraufkam, im Türrahmen zum Sekretariat, in dem sich neben Valerie auch Emanuel Feldkirch, Sigi Nick und Liz Sinkel aufhielten. Ihre Gespräche verstummten sofort.
    »P-F«, sagte Micha Schell. »Gut, dass du endlich da bist. Du machst in dem alten Fall rum? Die Sache ist vorbei.«
    Wie nie zuvor hatte Fischer das Treppensteigen so angestrengt, dass er mit offenem Mund keuchte. Er blickte in die Runde und strich sich, nachdem er den Hut abgenommen hatte, durch die Haare.
    »Ich habe Neuigkeiten in dem Fall«, sagte er und sah Liz dabei an und nicht Schell.
    »Kann nicht sein«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher