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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Fischer in einen inneren Strudel geraten, der ihn euphorisierte und wehrlos machte gegen alle Bedenken wegen seines unpolizeilichen Verhaltens. Er wollte nur noch handeln, zuhören, Fragen stellen und dem einen absurden Ziel folgen, einen Fall zu lösen, der längst gelöst, einen Mörder zu überführen, der längst überführt war. Er befand sich, dachte er vage, und das genügte, in einem Zustand außerdienstlicher Besessenheit, ausgelöst von einem unwirklichen Brief.
    Wie aus Gewohnheit sog Fischer den Rauch ein, und der leichte Schwindel, der ihn sofort erfasste, passte, wie er fand, gut dazu.
    Krumbholz zog an seiner Zigarette. »Nicht mehr, Meister, nicht mit mir, ist alles vorbei, was soll das?«
    Die beiden Raucher am Tresen sahen den Kommissar aus bierverwunschenen Augen an, möglicherweise zum Schaden ihrer Nackenmuskulatur.
    »Die Akten sind voller Widersprüche«, sagte Fischer. »Und Sie konnten Ihren Sohn nie entlasten.«
    Als hätte er ihn gemeint und sich bloß versprochen, sagte der Mann, der am nächsten zu Fischer auf dem Barhocker saß: »Ich bin der Kare.« Weiter sagte er nichts.
    Dafür beugte sich der andere behutsam nach vorn. »Hannes«, sagte er.
    Etwas in Kare schien Anlauf zu nehmen. Er richtete sich auf, verzog den Mund und nickte. Daraufhin zeigte er mit dem Daumen über die Schulter, holte mehrmals Luft, schwankte und stieß hervor: »Das da ist der Willi, der Willi, das ist der Willi da hinten.«
    Er meinte den Zeitungsleser am Tisch. Kare knallte das halb volle Bierglas auf den Tresen, hob es hoch, prostete seiner Umgebung zu, ohne jemanden anzusehen, und trank das Glas leer.
    Trillernd gab einer der Spielautomaten eine Melodie von sich und blinkte überschwänglich. Was folgte, waren »Sultans Of Swing« von den Dire Straits und ein Stereohusten von Kare und Hannes. Fischer stand am Rand des Tresens, größer als die auf dem Barhocker sitzenden Männer, überhaupt zu groß gewachsen für die niedrige Kneipe, in der sich jeder wie geduckt verhielt.
    Krumbholz spülte Gläser und tupfte sich mit einem Geschirrtuch den Nacken ab. Willi blätterte um und brauchte eine Weile, bis er die Seiten gefaltet bekam. Aus dem Raum hinter der Theke, vermutlich der Küche, drang ein Klappern.
    »Haben Sie eine Suppe?«, fragte Fischer.
    »Gulaschsuppe.« Krumbholz zündete sich eine Zigarette an, drehte sich um, schob die Holzklappe an der Wand nach oben und bückte sich schwerfällig. »Eine Gulaschsuppe.« Mit einem Krachen landete die Klappe wieder auf der Ablage.
    Nach einem Moment, der Fischer eigenartig lang erschien, drehte Krumbholz sich zu ihm um. »Ist wahrscheinlich gut gemeint von Ihnen. Nützt aber nichts mehr. Mein Sohn ist verurteilt worden, er hat alles zugegeben, jetzt sitzt er in der Psychiatrie. Es geht ihm nicht schlecht, er wird betreut. Wir besuchen ihn regelmäßig, meine Frau und ich. Ist halt alles so gekommen. Das Mädchen wird nicht mehr lebendig. Irgendwann hört das alles auf.«
    »Was hört auf?«, sagte Fischer.
    »Das alles. Die Sache mit dem Mädchen. Was mein Sohn getan hat. Die Zeit geht drüber. Da können Sie nichts ausrichten. Wenigstens haben sie meinen Sohn nicht in ein richtiges Gefängnis gesteckt.«
    »Ist ja gar nicht erlaubt«, sagte Kare unvermittelt. »Dein Sohn ist doch nicht gesund, der ist ja noch ein Kind. Verstehst du das, Fischer?« Seine Stimme wurde lauter. »Die haben den damals sowieso fertiggemacht, deine Kollegen und die Presse. Die haben gesagt, der Depp, der wars, das ist ja klar, entschuldige, Hardy. Die haben doch immer … der hat keine Chance gehabt, der Jockel … alles abgekartet. Und die Mutter? Was hat die eigentlich gemacht? Die war doch früher auch immer bei dir, Hardy. Die hätt ihre Tochter auf den Strich geschickt, so eine ist das …«
    »Hör auf, Kare«, sagte Krumbholz.
    »Die Zeit geht nicht drüber«, sagte Fischer zu Krumbholz. »Glauben Sie heute, dass Ihr Sohn ein Mörder ist?«
    »Wie, heute?« Krumbholz stöhnte. Nichts in seinem Gesicht verriet, was in ihm vorging. »Ob mein Sohn das Mädchen ermordet hat? Das ist doch nicht mehr wichtig jetzt. Das Urteil ist gesprochen.«
    »Scarlett«, sagte Fischer.
    Die drei Männer sahen ihn an. Er trank.
    Aus der Küche war ein Klirren zu hören.
    »Was wolltst du sagen mit Scarlett?« Hannes streckte den Kopf vor.
    »Ich wollte nur ihren Namen erwähnen«, sagte Fischer.
    »Scarlett, wissen wir ja«, sagte Kare. »Und ihre Mutter Michaela. Soll ich dir was verraten? Ich

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