Touchdown fürs Glück (German Edition)
Stundenlang hatte sie allein die Sorge und Verantwortung für Sammy getragen, hatte sich Vorwürfe gemacht und verzweifelt versucht, Julian zu erreichen.
Wieder und wieder hatten die Ärzte sie gedrängt und ihr erklärt , dass ihnen die Zeit ablief, weil ein kleines Mädchen um ein neues Herz kämpfte. Oder sie hatten von einem Jungen erzählt , der eine neu e Niere brauchte. Olivia hatte sich mitten im Krankenhausflur übergeben müssen und Grannys wütende Stimme nur am Rande gehört . Julians Handy war immer noch abgeschaltet gewesen .
Den Satz ohne meinen Mann kann ich das nicht entscheiden hatte sie alle fünf Minuten wiederholt. Granny hatte abends jemanden von den Cardinals erreichen können , bis dahin war Olivia nicht mehr in der Lage gewesen , auch nur e in Wort zu sagen. Schweigend hatte sie bei Sammy am Bett gesessen, seine kleine, pummelige und perfekte Hand in ihrer gehalten und sein Gesicht betrachtet , aus dem Schläuche ragten. Sein pausbäckiges Gesicht war völlig entspannt gewesen , weshalb sie sich manchmal ein gebildet hatte , dass er nur schlief und gleich seine grünen Augen öffnen würde. Ihre Augen.
Sie hatte sich mit der Frage gequält , ob er große Angst gehabt hatte, als er in den Pool fiel, oder ob er darauf vertraut hatte, dass Ma ma und Papa kämen. Olivia hatte sich hysterisch gefragt , ob er nach Hilfe g erufen hatte, schließlich konnte er schon seit Monaten sprechen , doch dann hatte sie sich an den Krach im Haus erinnert , und dass sie ihn vermutlich gar nicht gehört hätte. Sie gab sich die Schuld, gab den Handwerkern die Schuld und gab sogar den Zeichentrickfilmen die Schuld – nur Julian, der um elf Uhr nachts ins Zimmer gestürmt war , gab sie niemals die Schuld. Er hat te sie so fest an sich gedrückt , dass ih re Knochen knackten, ihr ins Ohr geschluchzt , dass er erst vor einer Stunde von dem Unfall gehört hatte, und hatte den Ärzten nicht zuhören wollen , als sie davon sprachen, dass Sammy nie wieder aufwachen würde.
Während des ganzen Tages war Olivia abgestumpft, emotionslos und beinahe teilnahmslos geworden . Julian ha tt e mit einem Arzt gestritten, ihn einen verfluchten Quacksalber genannt und sich auch von Granny nicht beruhigen lassen. Olivia dagegen war an Sammy s Bett sitzen geblieben , hatte seine babyweiche Wange berührt und sich daran erinnert , was er für ein l iebes Baby gewesen war. Als hätte sie sich alles einprägen müssen , war sie über seinen Kopf gefahren , die Arme, den Bauch, seine Beine bis zu seinen Füßen. Sie hatte den kleinen Leberfleck hinter seinem rechten Ohr berührt und die winzige Narbe ertastet , die er sich vor einem halben Jahr am linken Knie geholt hatte, als er beim Toben mit seinem Dad hingefallen war. Äußerlich gefasst hat te sie ihn auf die Stirn geküsst, über seine blonden Locken gestrichen, seinen Geruch ein geatmet und dem Arzt erklärt , der mit Julian vor der Tür stand, dass sie seine Organe freigab.
Olivia stand auf und legte die Wange an das kühle Glas des Fensters. Lange hatte sie nicht mehr so intensiv an Sammy und seinen Tod gedacht. Seit Jahre n verdrängte sie jede Erinnerung an ihr totes Kind und wusste, dass sie den Traum wegen Gran ny s Tod und Julians plötzlichen Wunsch nach Aussprache gehabt hatte.
In den Woche n nach Sammy s Beerdigung war Julian verständnisvoll und zä rtlich zu ihr gewesen, hatte sich rührend um sie gekümmert und die eigene Trauer durch seine Sorge um sie überwunden. Er war außerdem gleich nach der Beerdigung wieder ins Team gekommen und hatte sich keine Auszeit genommen. Auf diese Weise war er abgelenkt genug gewesen und hatte keine Zeit gehabt, um über den Verlust nachzudenken. Olivia hatte es ihm nie verübelt, dass er gleich wieder mit dem Footballspiel angefangen hatte, sondern hatte ihn um die Ablenkung sogar beneidet.
Wenn er unterwegs gewesen war, war Granny bei ihr geblieben und hatte sich wie eine Glucke um sie gekümmert. Doch Olivia hatte es nicht mehr ertragen können . Sie war vierundzwanzig Jahre alt gewesen , h atte ihr Kind verloren und keinen Draht mehr zu ihrem Leben gefunden. Das Haus hatte sie ebenso wenig wie Arizona selbst oder den Gedanken an ihre Zukunft ertragen können . Wenn sie Julian ansah, sah sie Sammy, und wenn Freunde oder Nachbarn an gefa ngen hatten, über Sammy zu reden, war da dieser Wunsch in ihr gewesen , sich ins Auto zu setzen und mit zweihundert Sachen gegen eine Betonwan d zu fahren. Stattdessen hatte sie sich ins
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