Touchdown
Fluchtgedanken fasste. Jetzt betrat ein gut gekleideter Geschäftsmann eilig die Bar, in den Händen mindestens zwei Zeitungen und eine Aktenmappe, und ging direkt zur Kassiererin. »buongiorno«, sagte er und bekam das Gleiche zur Antwort. »Caffe«, sagte er sodann, während er einen Fünf-Euro-Schein zückte. Die Frau nahm ihn entgegen, gab Wechselgeld heraus und händigte ihm einen Beleg aus, den er umgehend zum Tresen trug und ihn so platzierte, dass er von den Baristas bemerkt werden konnte. Einer der Baristas nahm sich schließlich seiner an, man tauschte seine »buongiomos« aus, und alles fügte sich aufs Beste. Innerhalb von Sekunden landete eine kleine Tasse nebst Untertasse auf dem Tresen, und der Geschäftsmann, bereits in die Lektüre der wichtigsten Meldungen vertieft, fügte Zucker hinzu, rührte um und vernichtete schließlich das Getränk in einem einzigen Zug. So also macht man das.
Rick schritt zur Kasse, murmelte ein passables »buongiorno« und schüttelte seinerseits einen Fünf-Euro-Schein aus dem Handgelenk, bevor die Dame etwas erwidern konnte. Anstandslos händigte sie ihm Wechselgeld und den magischen Beleg aus. Während er am Tresen stand und seinen Kaffee schlürfte, nahm er die hektische Bar-Atmosphäre in sich auf. Die meisten Gäste waren auf dem Weg zur Arbeit, und sie schienen einander zu kennen. Einige redeten ununterbrochen, während andere sich hinter ihren Zeitungen verschanzten. Die Baristas arbeiteten fieberhaft, machten dabei allerdings keinen Schritt zu viel. Sie schwatzten und flachsten in rasend schnellem Italienisch und ließen auch keine scherzhafte Bemerkung der Kundschaft unbeantwortet. Abseits des Tresens gab es Tische, an denen Kellnerinnen in weißen Schürzen Kaffee, Mineralwasser und Backwaren aller Art servierten. Rick hatte plötzlich Hunger, trotz der überreichlichen Kohlenhydrate, die er sich erst wenige Stunden zuvor im Polipo einverleibt hatte. Eine Auslage mit süßen Teigrollen erregte seine Aufmerksamkeit, und er spürte heftiges Verlangen nach einer mit Schokolade und Creme obendrauf. Aber wie rankommen? Er würde sich nicht trauen, den Mund aufzumachen, nicht, wo so viele Leute mithören konnten. Vielleicht hatte ja die Kassiererin in der Ecke Verständnis für einen Amerikaner, der nichts sagen, sondern nur mit dem Finger zeigen konnte.
Hungrig verließ er die Bar. Er ging ein bisschen den Viale Vittoria entlang, dann bog er in eine Seitenstraße; er suchte nichts Bestimmtes, wollte sich einfach nur um schauen. Eine weitere Bar sah ihn einladend an. Selbstbewusst spazierte er hinein, ging auf direktem Wege zur Kasse, an der wiederum eine stattliche ältere Dame saß, und sagte: »Buongiorno, Cappuccino bitte.« Es war ihr vollkommen egal, woher er kam, und ihre Gleichgültigkeit ermutigte ihn. Er zeigte auf ein voluminöses Gebäckstück in einer Auslage neben dem Tresen und sagte: »Und eins von denen da.« Sie nickte erneut, als er einen Zehn-Euro-Schein rüberschob, mit Sicherheit genug für Kaffee und ein Croissant. Diese Bar war weniger voll als die erste, und Rick konsumierte cornetto und Cappuccino mit genussvoller Hingabe.
Der Laden hieß Bar Bruno, und wer Bruno auch sein mochte, er war jedenfalls ein leidenschaftlicher Fußballfan. Die Wände hingen voller Mannschaftsposter, Fotos von Spielszenen und Spielankündigungen, die dreißig Jahre zurücklagen. Es gab ein Transparent vom WM-Sieg 1982. Über die Kasse hatte Bruno eine Sammlung von vergrößerten Schwarz-Weiß-Fotos gepinnt - Bruno mit Chinaglia, Bruno in herzlicher Umarmung mit Baggio.
Rick vermutete, dass er Probleme haben würde, in Parma eine Bar oder ein Café mit auch nur einem einzigen Foto von den Panthers zu finden. Was sollʹs? Wir sind hier nicht in Pittsburgh.
Der Fiat stand noch genau da, wo er ihn verlassen hatte. Der Schuss Koffein hatte sein Selbstvertrauen zusätzlich gestärkt. Versiert legte er den Rückwärtsgang ein, dann rollte er geschmeidig los, als würde er schon jahrelang mit Kupplung fahren. Die Altstadt von Parma allerdings stellte eine beängstigende Herausforderung dar, doch er hatte keine Wahl. Irgendwann würde er nach Hause zurückkehren müssen, und der Fiat musste mit. Anfangs beunruhigte das Polizeiauto ihn nicht weiter. Es folgte ihm mit gemäßigter Geschwindigkeit. Rick hielt an einer roten Ampel und wartete geduldig, während er in Gedanken den Gebrauch von Kupplung und Gaspedal durchspielte. Die Ampel schaltete auf Grün, die Kupplung
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