Touchdown
Goalline überquerte.
Rick sagte all die richtigen Sachen. Er liebe Parma. Wohnung und Auto seien wunderbar. Das Team einfach klasse. Er könne es kaum erwarten, den Super Bowl nach Parma zu holen. Franco und Antonella betraten den Raum, und die einschlägigen Umarmungsrituale wurden vollzogen. Ein Kellner erschien und verteilte Gläser mit gekühltem Prosecco. Es war eine kleine Party - die Bruncardos, Sam und Anna, Franco und Antonella und Rick. Nach dem Prosecco und einigen Häppchen brachen sie zu Fuß auf, die Damen in Abendkleidern, hochhackigen Schuhen und Nerzen, die Herren in dunklen Anzügen, und alle redeten gleichzeitig auf Italienisch. Rick war missgelaunt, verfluchte im Stillen Sam, Franco und den alten Bruncardo wegen der Absurdität der Veranstaltung. Er hatte ein englischsprachiges Buch über die Emilia-Romagna gefunden, das zwar meistenteils von Essen und Wein handelte, jedoch auch einen ausführlichen Abschnitt über die Oper enthielt. Äußerst zähe Lektüre.
*
Das Teatro Regio wurde Anfang des neunzehnten Jahrhunderts durch Marie Louise, eine der früheren Ehefrauen Napoleons, erbaut, die es vorzog, in Parma zu leben, weil sie dort weit vom Kaiser entfernt war. Private Logen auf fünf Ebenen überblicken die Zuschauerreihen, das Orchester und die geräumige Bühne.
Die Parmaer betrachten das Teatro als das herrlichste Opernhaus der Welt, und überhaupt betrachten sie die Oper als ein ihnen mit der Geburt gewährtes Recht. Sie haben ein genaues Ohr und sparen nicht mit Kritik, und ein Künstler, dem sie Applaus spenden, darf sich berufen fühlen, hinaus in die Welt zu ziehen. Eine uninspirierte Vorstellung oder ein nicht getroffener Ton rufen oft lautstarke Missbilligung hervor. Die Loge der Bruncardos befand sich auf der zweiten Ebene, links von der Bühne, ausgezeichnete Plätze, und während sich die kleine Gesellschaft sortierte, wurde Rick von einer gewissen Ehrfurcht ob des prunkvollen Interieurs und der Ernsthaftigkeit der ganzen Angelegenheit ergriffen.
Unter den durchweg festlich gekleideten Zuschauern im Parkett herrschte eine angespannte Erwartung. Jemand winkte ihnen zu. Es war Karl Korberg, der große Däne, der an der Universität lehrte und sich als linker Offensivtackle versuchte. Er hatte nicht weniger als fünf klare Blocks gegen die Bandits verfehlt. Karl trug einen schicken Smoking, und seine italienische Frau sah großartig aus. Rick bewunderte die Damen von oben.
Sam blieb an seiner Seite, bestrebt, den Neuling sicher durch seine erste Vorstellung zu geleiten. »Diese Leute sind ganz verrückt nach Oper«, flüsterte er. »Das sind Fanatiker.«
»Und Sie?«, flüstere Rick zurück.
»Das hier ist der rechte Ort, um es zu werden. Ob Sieʹs glauben oder nicht, in Parma ist die Oper populärer als Fußball.«
»Auch populärer als die Panthers?«
Sam lachte und wies mit dem Kopf auf eine umwerfende Brünette, die genau unter ihnen vorbeischritt.
»Wie lange wird die Angelegenheit dauern?«, fragte Rick stieläugig.
»Ein paar Stunden.«
»Können wir nicht einfach in der Pause abhauen und irgendwo was essen?«
»Tut mir leid. Und das Abendessen wird hervorragend sein.«
»Daran zweifle ich nicht.«
Signor Bruncardo reichte ihm ein Programm. »Ich hab eins auf Englisch gefunden«, sagte er. »Danke.«
»Sie sollten einen Blick hineinwerfen«, sagte Sam. »Manchmal ist es nicht ganz leicht, so einer Oper zu folgen, jedenfalls soweit es die Handlung betrifft.«
»Ich dachte, da steht einfach ein Haufen dicker Leute herum und singt aus vollem Hals.«
»Wie viele Opern haben Sie in Iowa eigentlich gesehen?«
Das Licht wurde etwas dunkler, und das Publikum begab sich auf seine Plätze. Rick und Anna wurden die beiden winzigen Samtsessel in der ersten Reihe der Loge, ganz dicht an der Brüstung zugewiesen, von wo sie einen uneingeschränkten Blick auf die Bühne hatten. Dicht hinter ihnen drängten sich die andern.
Anna zog eine bleistiftartige Taschenlampe hervor, die sie auf Ricks Programm richtete. Leise sagte sie: »Das ist eine Aufführung des Othello, einer sehr berühmten Oper von Giuseppe Verdi, einem Einheimischen aus Bussetto.«
»Ist er auch hier?«
»Nein«, sagte sie lächelnd. »Verdi ist vor hundert Jahren gestorben. Zu seiner Zeit war er der größte Komponist der Welt. Haben Sie viel Shakespeare gelesen?«
»Oh, ja klar.«
»Gut.« Es wurde noch dunkler. Anna blätterte im Programm, hielt dann den Lichtkegel auf die Seite vier. »Hier ist eine
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