Touchdown
oft hatte er versucht, sich die Einzelheiten des eigentlichen Geschehens wieder ins Gedächtnis zu rufen, den bedeutsamen Anlass, der sie überhaupt erst miteinander ins Bett getrieben hatte? Die Dusche lief. Seine Kleidung lag in einem Haufen vor der Tür.
Er hatte plötzlich das Gefühl, älter geworden zu sein, nicht unbedingt reifer zwar, aber seiner Rolle als von Bett zu Bett hüpfender Junggeselle mit dem goldenen Arm doch gründlich überdrüssig. Bisher waren ihm Frauen immer etwas gewesen, was man hinterher entsorgt hatte, von den süßen Cheerleadern im College bis zu der mehr oder we niger Unbekannten in irgendeinem Hotelzimmer in einer fremden Stadt. Aber jetzt war die Shownummer des Footballstars, der nichts anbrennen lässt, vorbei. Sie hatte in Cleveland geendet, mit seinem letzten echten Spiel.
Er dachte an Gabriella, versuchte die Gedanken aber gleich wieder zu verscheuchen. Wie seltsam, dass er sich schuldig fühlte, während er unter der dünnen Decke lag und dem Wasser lauschte, das über den Körper einer Frau lief, deren Nachname ihm völlig unbekannt war.
Er zog sich schnell an und wartete. Das Wasser wurde abgestellt, kurz darauf kam Beverly in einem Hotelbademantel aus dem Bad. »Ah, du bist wach«, sagte sie mit gezwungenem Lächeln.
»Endlich«, sagte er, erhob sich, wollte es schnell hinter sich bringen. Er hoffte, dass sie nicht klammern würde, nicht Drinks und Essengehen und eine weitere Nacht von ihm wollte. »Ich muss gehen.«
»Tschüs«, sagte sie, dann ging sie abrupt ins Bad zurück und machte die Tür hinter sich zu. Er hörte das Schloss klicken.
Na wunderbar. Auf dem Flur kam er zu dem Schluss, dass sie tatsächlich verheiratet war und wahrscheinlich noch viel mehr Schuldgefühle hatte als er.
Bei Bier und Pizza pflegten die vier amici ihren Kater und verglichen ihre Erlebnisse. Zu seiner eigenen Überraschung fand Rick dieses Studentenwohnheimgerede albern und öde. »Schon mal einer was von der Achtundvierzig-Stunden-Regel gehört?«, fragte er. Und bevor jemand antworten konnte, sagte er: »Ist im Profi-Football ziemlich verbreitet. Achtundvierzig Stunden vor dem Kickoff keinen Alkohol mehr.«
»Der Kickoff ist in ungefähr zwanzig Stunden«, sagte Trey.
»So viel also zu dieser Regel.« Sly nahm einen Schluck Bier.
»Ich würde sagen, wir lassen es heute Abend ruhig angehen«, sagte Rick. Die anderen drei nickten, wollten sich aber nicht festlegen. Sie fanden einen halbleeren Discopub und spielten ein bisschen Darts, solange der Laden sich füllte und eine Band in einer Ecke Soundcheck machte. Plötzlich war der Pub von deutschen Studenten überschwemmt, die meisten davon weiblich und allesamt bereit, es krachen zu lassen. Die Dartpfeile waren vergessen, als das Tanzen begann.
Vieles war bald vergessen.
*
American Football war in Mailand weniger populär als in Parma. Jemand sagte, es würden hunderttausend Amis in Mailand leben, aber das waren offenbar überwiegend Footballverächter. Gerade mal ein paar Hundert Fans hatten sich zum Anstoß eingefunden.
Heimstätte der Rhinos war ein alter Fußballplatz mit einer kleinen unüberdachten Zuschauertribüne. Das Team hatte sich, vor dem Aufstieg am Ende der letzten Saison, zehn Jahre lang in der Zweiten Liga abgeplagt. Sie waren kein ernsthafter Gegner für die Panthers, sodass es nicht leichtfiel, sich ihre Zwanzig-Punkte-Führung zur Halbzeit zu erklären.
Die erste Hälfte war Sams schlimmster Albtraum. Wie er befürchtet hatte, war das Team träge und lustlos, und er konnte schreien, soviel er wollte, es ließ sich nicht wach rütteln. Nach vier Läufen mit dem Ball stand Sly schwer keuchend an der Seitenlinie. Franco ließ den Ball bei seinem ersten und einzigen Lauf fallen. Sams Spitzenquarterback wirkte ein bisschen langsam, und seine Pässe waren nicht zu fangen. Zwei davon wurden vom Receiver bei dem Versuch, sie unter Kontrolle zu bringen, so lange in der Luft jongliert, dass der gegnerische Safety sie sich in aller Ruhe schnappen konnte. Rick verpatzte eine Ballübergabe und verweigerte jedes eigene Laufen mit dem Ball. Seine Füße fühlten sich an wie zwei große Ziegelsteinklumpen. Als sie zur Halbzeit vom Feld trotteten, heftete sich Sam seinem Quarterback an die Fersen. »Haben Sie ʹnen Kater oder was?«, fragte er ziemlich laut, jedenfalls laut genug, dass der Rest des Teams es hören konnte. »Wie lange sind Sie schon in Mailand? Das ganze Wochenende? Das ganze Wochenende durchgesoffen? Sie
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