Touched
Rest meines Lebens mit dem Bus zu fahren, hätte er nicht mit ruhiger Stimme darauf beharrt, dass ich den Wagen rückwärts aus der Einfahrt fuhr, damit er mir das Einparken beibringen konnte.
Später ging es auf den Highway 9, und ich trat aufs Gaspedal. Zum ersten Mal machte es mir Spaß, auf dem Fahrersitz zu sitzen.
»Du wirst noch vor Jahresende deinen ersten Strafzettel für zu schnelles Fahren kassieren«, prophezeite mein Vater. Komischerweise klang er eher stolz als bestürzt.
Am Ende der Fahrstunde fühlte ich mich schon viel sicherer und hatte mir den liebevollen Spitznamen »Bleifuß O’Malley« eingehandelt.
Als wir nach Hause kamen, hatte Laura gerade das Abendessen hergerichtet. Ben pries meine Fahrkünste in den höchsten Tönen und ließ die Baumgeschichte dabei komplett unter den Tisch fallen. Da passierte es.
Ich war drauf und dran, mich in sie zu verlieben.
In Lucy, Laura, Ben.
Meine Familie.
Mein Leben mit ihnen stand in krassem Gegensatz zu dem in Brooklyn mit Dean und Anna, und der Gedanke tat weh, was meine Mutter jetzt allein durchmachen musste. Ich schlief schon seit ein paar Tagen nicht mehr mit einem Messer unter dem Kopfkissen, genauer gesagt, seitdem Laura es beim Wechseln der Bettwäsche entdeckt hatte. Sie hatte es dort wieder hingelegt, wo sie es vorgefunden hatte, und wenn die frische Wäsche nicht gewesen wäre, hätte ich nie etwas gemerkt. An diesem Abend legte ich das Messer in die Küchenschublade zurück.
Sie alle zu lieben würde es zehnmal, hundertmal schwerer machen zu gehen, wenn sie meine Geheimnisse entdeckten und mich wegschicken würden. Ich beschloss, noch besser auf mein Herz und meine Gefühle aufzupassen, und meine Kehle brannte von lauter unvergossenen Tränen.
An diesem Sonntag beschlossen Lucy und ich, unserem Eishockeyteam in der Eissporthalle dabei zuzusehen, wie es »ihre Gegner in die Pfanne haut«. Brandon hatte mich dazu überredet, aber es hatte ihn keine große Mühe gekostet, denn ich hatte erfahren, dass Asher mitspielen würde. Als wir aus dem Haus gingen, stand ein neuer Mustang GT in der Einfahrt. Rot wie ein Liebesapfel und mit glänzendem Chrom, mir blieb die Luft weg. Ich malte mir aus, wie ich ihn mit heruntergelassenen Fenstern fuhr und wie mir der Wind durchs Haar wehte.
Ich war so in den Anblick dieses Autos vertieft, dass ich es zunächst gar nicht hörte, als Ben meinen Namen rief.
Geistesabwesend drehte ich mich um, um gerade noch rechtzeitig den Schlüssel aufzufangen, den er mir zuwarf. Völlig verwirrt blickte ich auf. Laura und Lucy standen strahlend hinter ihm. Ich sah zu dem Auto, dann zu Ben, dann wieder zum Auto. Und als ich mich erneut zu Ben umwandte, nickte er grinsend.
Ich kreischte auf und hüpfte wie eine Verrückte auf und ab. Dann rannte ich zu ihm und umschlang ihn kurz, aber heftig. Ich löste mich mit den Worten: »Danke, danke, danke!«, ehe ich begriff, was ich getan hatte. Ich hatte meinen Vater noch nie freiwillig berührt und er war genauso verwundert wie ich. Wir sahen einander verlegen an, bis mich Lucy an der Hand packte und zum Auto zog. Beide taten wir so, als müsste sich Ben nicht erst räuspern, bevor er eine Liste der besonderen Merkmale des Autos vom Stapel ließ.
»Remy, bei den vielen vereisten Straßen hier in der Gegend ist das Auto nicht wirklich praktisch.«
Lucy lachte. »Aber es ist sein Traumwagen!«
Es rührte mich unwillkürlich, dass er für mich seinen Lieblingswagen ausgesucht hatte. Wieder räusperte er sich. »Ja, für Bleifuß O’Malley jr. hätte ich mir keinen besseren Wagen vorstellen können.«
Als wir uns schamlos angrinsten, mahnte Laura Ben, er solle mir nicht seine schlechten Angewohnheiten schmackhaft machen, sonst hätte ich mit 18 auch schon drei Strafzettel einkassiert, so wie er.
Der einzige Nachteil an dem Mustang – meinem Mustang – war, dass er ein Schaltgetriebe hatte. Ben zufolge war das bei einem Sportwagen jedoch ein Muss und durch häufiges Üben sicher in Kürze kein Problem mehr. Mit einem letzten bewundernden Blick auf den Wagen, folgte ich Lucy zu ihrem Prius.
Im Stadion bot Brandon gleich an, mir eine Fahrstunde zu geben. Wir saßen Seite an Seite auf den Tribünenplätzen direkt hinter der Bank unserer Spieler, seine Schulter berührte meine, und er lachte, als ich die Vorzüge des 300 PS starken V8-Motors herunterrasselte.
Ich war so aufgekratzt, dass ich überhaupt nicht an meine Abwehr dachte. Als ich zur Seite blickte, entdeckte
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