Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
mittags geschlafen. Gracie ist mit Daisy und HFL in den Longleat Safari Park gefahren.
Sonntag, 6. April
Aufgestanden, geduscht, rasiert und ein Weetabix gegessen – oder heißt das dann Weetab i ?
Danach sah ich im Fernsehen, wie die olympische Fackel, flankiert von zehn chinesischen Sicherheitsbeamten, durch London gereicht wurde. Getragen wurde sie von Pro minenten, deren Namen Bernard und ich noch nie gehört hatten.
In der Downing Street kam Mr. Brown heraus, um sich die Flamme anzusehen. Er hat sie allerdings nicht berührt.
»Wenn er sie angefasst hätte«, sagte Bernard, »hätte er damit stillschweigend die Besetzung Tibets geduldet und dem Massaker am Tiananmen-Platz seinen Segen gegeben.«
Ich mache mir große Sorgen um die Olympischen Spiele. Man denke nur an das Wembley-Stadion und an Terminal fünf, der immer noch nicht funktioniert. Wird die Welt uns 2012 auslachen?
Am Nachmittag fühlte ich mich gut genug, um in den Wald nahe bei unserem Haus zu laufen. Bernard kam mit. Auf dem Boden sah man überall hellgelbe Blumen durch das tote Laub blitzen.
»Schöllkraut!«, sagte Bernard. »Das gibt einem das Gefühl, dass noch nicht alles verloren ist, was, Junge?«
Montag, 7. April
Das Neueste von Lady Di.
Die Jury des Geschworenengerichts hat eine Entscheidung mit neun Stimmen zu zwei getroffen: Sie befindet Prinz Philip des Mordes an Prinzessin Diana für nicht schuldig. Ich war etwas enttäuscht, ich finde, er sieht absolut so aus, als wäre er zu einem Mord fähig. Ist es denn wirklich jenseits aller Vorstellungskraft, dass der Prinz heimlich nach Frankreich eingereist ist, sich verkleidet ein Auto gemietet hat – meinetwegen einen Fiat Uno –, damit dann Dianas Wagen von der Straße gegen die Tunnelwand abgedrängt hat und im Anschluss zurück nach England geflüchtet ist? Hat er ein hieb- und stichfestes Alibi für jene Nacht?
Dienstag, 8. April
Chemo. Die Ergebnisse der Blutuntersuchung sind da. Dr. Ru bik sagte, meine PSA-Werte seien gesunken, was darauf hindeutet, dass die Chemo anschlägt. Allerdings macht sie sich Sorgen um mein Gewicht.
Ich erklärte ihr, ich habe wenig Appetit.
»Dann soll Ihre Frau ihn mit kleinen Portionen Ihrer Lieblingsspeisen anregen.«
Ich sagte, ich lebte nicht mit meiner Frau zusammen und werde hauptsächlich von Bernard Hopkins gepflegt.
Woraufhin sie die Augenbrauen hochzog, aber keinen Kommentar abgab.
»Bernard und ich sind nur gute Freunde«, sagte ich.
»Das geht mich nichts an. Sie müssen mir Ihre Lebensweise nicht erklären, Adrian.«
»Aber ich glaube, Sie missverstehen …«
»Das interessiert mich ehrlich nicht«, unterbrach sie mich. »Er tut Ihnen ganz offensichtlich gut, und das ist das Einzige, was für mich zählt.«
Wenn ich das nächste Mal zu Dr. Rubik gehe, nehme ich Bernard mit. Vielleicht begreift sie dann – die Vorstellung, dass er und ich mehr als nur Freunde sein könnten, ist lachhaft.
Bernard war schon seit dem Frühstück verschwunden gewe sen, als meine Mutter mit etwas selbst gekochter Hühnersuppe vorbeikam und mir, während ich aß, erzählte, es gebe Gerüchte im Dorf, dass Bernard es mit Mrs. Lewis-Masters »treibe«.
Ich war empört. »Können diese kleingeistigen Wichtigtuer denn nicht akzeptieren, dass es so etwas wie Freundschaft zwischen Mann und Frau geben kann?«
Meine Mutter wirkte skeptisch. »Mir persönlich ist das nie gelungen, ich hatte immer ein Problem mit Grenzen.«
»Aber Bernard ist uralt, und sie auch.«
»Des O’Connor hat noch ein Kind gezeugt, und der ist definitiv uralt.«
»Aber Mrs. Lewis-Masters ist eine kultivierte Frau.«
»So kultiviert auch wieder nicht«, entgegnete meine Mutter. Sie stellte sich ans Spülbecken und wusch meine leere Suppenschale unter dem heißen Wasserstrahl ab. Etwas an ihrer Schulterhaltung verriet, dass sie noch mehr zu erzählen hatte. Es ließ nicht lange auf sich warten; während sie die Schale ab trocknete, drehte sie sich um. »Die kultivierte Mrs. Lewis- Masters hat einen unehelichen Sohn in Timbuktu. Sein Vater ist ein reicher Afrikaner – also, reich an Kamelen.«
»Und wer hat dir das erzählt?«
»Wendy Wellbeck«, formte sie lautlos mit den Lippen, obwohl niemand in Hörweite war. »Der Sohn schreibt ihr ständig, dass er zu ihr nach England kommen will; angeblich hat er eine schöne Handschrift.«
»Eines Tages landet Wendy Wellbeck noch im Gefängnis, wenn sie weiter Briefe der königlichen Post abfängt.«
Ich wartete auf Bernard.
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