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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Als er um 23:35 nach Hause kam, fragte ich ihn, ob er bei Mrs. Lewis-Masters gewesen sei.
    »Mein Guter, vor dir steht der glücklichste Mann der Welt! Heute Abend habe ich Dorothea gefragt, ob sie mich heiraten will, und sie hat ja gesagt!« Er lächelte, wobei er seine tabakfleckigen Zähne entblößte. »Es gibt natürlich Bedingungen. Ich muss mir den Schnurrbart abrasieren. Schade, aber nun gut. Vor dem Mittagessen gibt es keinen Alkohol, und ich darf sie nicht öfter als zweimal pro Woche mit Sex behelligen. Ach ja, und ich muss allgemein ein bisschen an meinem Erscheinungsbild arbeiten.«
    »Und wann wollt ihr beide heiraten?«, fragte ich.
    »Noch Jahre nicht«, sagte Bernard. »Allerdings ziehe ich bei dem alten Mädchen ein. Sollte ein ganz behagliches Quartier sein.«
    Tagebuch, ich hätte mich für ihn freuen sollen, aber ich empfand nur Neid. Laut sagte ich aber: »Glückwunsch, Bernard.« Er wollte, dass ich aufbleibe und auf seine frohe Nachricht anstoße, aber ich spielte die Krebskarte aus und ging ins Bett. Als ich im Dunkeln wach lag, überlegte ich, ob Bernard wohl wusste, dass er der Stiefvater eines Mannes mittleren Alters in Timbuktu würde.
    Niemand kennt einen anderen Menschen je ganz und gar, dachte ich mir, und jedes Leben ist geheimnisvoll.
    Donnerstag, 10. April
    Termin bei der Therapeutin.
    Meine Mutter fuhr mich heute Morgen ins Krankenhaus. Als wir an der Schule vorbeikamen, sahen wir eine Grup pe korpulenter Frauen mittleren Alters vor dem Schultor demonstrieren. Manche davon wedelten mit Transparenten; auf einem stand: »GORDONS STEUER, VIEL ZU TEUER!« Auf einem anderen: »HÄNDE WEG VON UNSERM SCHECK!«
    Meine Mutter feuerte sie winkend und hupend an. »Gordon Brown muss wahnsinnig geworden sein«, sagte sie. »Warum erhöht er die Steuern für die Schulköchinnen?«
    »Ich kann mich nicht mit dir über Politik unterhalten. Die Chemotherapie hat meine politische Meinung neutralisiert, ich sehe inzwischen keinen Unterschied mehr zwischen den großen Parteien.«
    Als wir vor dem Krankenhaus geparkt hatten, bat ich sie, mich in einer Stunde abzuholen.
    Bevor sie losfuhr, sagte sie noch: »Wenn du mit Martha über deine Depression sprichst, dann wirst du doch wohl nicht mir die Schuld geben, oder? Es ist nur, weil ich sie aus dem Rollstuhlfahrtraining ein bisschen kenne – ihre Mutter ist in der lateinamerikanischen Formationsmannschaft.«
    Martha lachte, als ich ihr erzählte, was meine Mutter gesagt hatte, und nach ein paar Minuten fühlte ich mich in ihrer Gesellschaft schon völlig entspannt. Mein IKEA-Stuhl mit dem dazugehörigen Fußschemel war unglaublich bequem, und mir gefiel auch die Meeresdekoration im Zimmer. Die Duftkerze auf dem kleinen weißen Kaminsims brannte in einem Leuchtturm-Kerzenhalter, auf einem auf alt getrimmten niedrigen Tischchen in meiner Reichweite standen ein Krug mit Wasser, ein Glas und eine Schachtel pastellfarbener Taschentücher. Ich erkannte einige der gerahmten Fotos an den Wänden.
    »Martin Parr«, sagte ich. »Wir haben früher seine Bücher verkauft.«
    Beide betrachteten wir das Foto eines alten Paars, das sich in einem Café am Meer gegenübersaß. Die beiden wirkten, als fühlten sie sich unwohl, und sprachen nicht miteinander. Das Bild fing die Trostlosigkeit des Altwerdens und Einander-Nichts-Mehr-Zu-Sagen-Habens ein. Ich spürte, wie es mir den Hals zuschnürte, und zu meinem Schrecken füllten sich meine Augen mit Tränen.
    Am Ende der Sitzung war die Taschentuchschachtel fast leer, und der Mülleimer fast voll mit feuchten Taschentüchern.
    Als wir an der Tür standen, sagte Martha: »Sie haben sehr gute Gründe für Ihre Depression, Adrian. Vielleicht können wir beim nächsten Mal wirklich auch darüber sprechen .«
    Ich versicherte ihr, ich würde nächste Woche nicht fünfzig Minuten lang durchschluchzen, ging und zog die Tür leise hinter mir zu.
    Ich mag Frauen wie sie. Zwar hat sie nicht die schmalen Hand- und Fußgelenke, die ich brauche, aber sie hat lockige braune Haare und ein altmodisches Gesicht. Da sie in mehrere Schichten von Grautönen gehüllt war, konnte ich kein Urteil über ihre Figur treffen.
    Im Auto fragte ich meine Mutter, was sie von Martha wisse.
    »Sie hat erwachsene Kinder, und ihr Mann wurde von einer Lawine getötet.«
    »Wie bedauernswert.«
    »Ja, aber es ist ein stilvoller Tod, findest du nicht?«
    »Das hängt davon ab, in welchem Skigebiet er umgekommen ist. Manche davon sind einfach nur wie ein

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