Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
Haines, Carruthers und Ada Mae Stark: Tod durch Ertrinken.
Kälteschauer packten mich. Ich blickte um mich, mir war, als wäre ich in einer überfluteten Höhle gefangen, wie wahnsinnig vor Verlangen, aus diesem Gefängnis auszubrechen. Ich warf den Kopf nach links, dann nach rechts, kämpfte darum, nicht wieder in die Dunkelheit zu fallen, die sich vor mir auftat.
Dann sah ich am Rand meines Gesichtsfelds eine Glasscherbe, ein gebogenes spitziges Ding, etwa fünf Zentimeter lang, das aussah wie ein kleiner Säbel. Als Lil das Bloody-Mary-Glas an der Wand zerschmettert hatte, war die Scherbe auf der Ecke der Matratze zwischen meinem Kopf und meiner rechten Hand gelandet. Sie war groß und scharf genug, um meine Fesseln zu durchtrennen.
Wenn ich sie nur zu fassen bekam.
Mit aller Macht drehte ich meinen Kopf weiter herum und konzentrierte mich voll und ganz auf den Splitter. Ich versuchte, meine Hand so zu krümmen, dass ich ihn zu fassen bekam, aber es ging nicht. Es fehlten noch gut fünf Zentimeter zwischen der Scherbe und meinem ausgestreckten Daumen.
»Verdammt«, flüsterte ich und schlug frustriert mit dem Kopf auf die Matratze.
Das Bruchstück hüpfte und landete ein wenig näher bei meiner Hand. Ich blinzelte, hob noch einmal den Kopf und ließ ihn zurückfallen. Wieder hüpfte die Scherbe und fiel diesmal neben den Spalt zwischen Kopfbrett und Matratze. Dort lag sie auf der Kippe und konnte jeden Moment im Spalt verschwinden, und mit ihr meine Hoffnung, zu überleben.
Ich hatte keine Wahl, ich musste es versuchen. Nun tat ich etwas, was ich seit dem Tod meines Vaters nicht mehr getan hatte: Ich blickte zur Decke und betete. Und zwar in vollem Ernst.
»Ich bin nicht vollkommen, lieber Gott, das weiß ich«, begann ich. »Aber böse bin ich auch nicht, und ich brauche jetzt deine Hilfe.«
Dann sah ich die Scherbe ein letztes Mal an, hob den Kopf und schlug ihn seitwärts auf die Matratze. Der Splitter hüpfte, prallte am Kopfbrett ab und landete irgendwo rechts hinter meiner Hand.
Einen Augenblick war ich im Ungewissen, wartete darauf, dass die Scherbe auf die Bettumrahmung oder den Fußboden fallen würde. Aber ich hörte keinen Laut außer meinem eigenen Atem. Mühsam hob ich den Kopf, spähte und entdeckte das Glasstück an der Kante der Matratze direkt neben meinem kleinen Finger.
Vorsichtig ließ ich den Kopf sinken. Meine Lungen fühlten sich an, als würden sie sich allmählich mit Wasser füllen. Das Gift schlug wieder zu. Ich schaute zur Tür, versuchte trotz des rauschenden Blutes in meinem Kopf zu hören, ob Lil etwa aufmerksam geworden war und kam.
Nichts. Ich reckte meine Hand, so weit es ging, und drehte sie nach hinten. Mein kleiner Finger streifte die scharfe Kante der Scherbe. Ein Blutstropfen trat aus. Trotzdem versuchte ich es noch einmal. Es mochte eine Minute dauern, bis ich es geschafft hatte, das Glasstück zwischen meinen Ring- und Mittelfinger zu schieben. Dann bekam ich es mit den Fingerknöcheln zu fassen und wurde von einem Hochgefühl ergriffen.
Jetzt zitterte ich, sprach mir leise Mut zu, manövrierte irgendwie die Scherbe zwischen meine Fingerspitzen, beugte die Hand und begann mit der Spitze der Scherbe an dem Seil zu schaben, das mein Handgelenk gefangen hielt. Eine Faser des dünnen Seils gab nach, dann noch eine.
So mühte ich mich etwa fünfzehn Minuten ab. Unterdessen arbeitete das Gift in mir. Blut tropfte aus meinem Finger auf das weiße Seil, das sich allmählich rostrot verfärbte, aber doch unverkennbar durchtrennt wurde, und endlich war es immerhin halb durchschnitten. Mein Unterarm und meine blutige, verschwitzte Hand verkrampften sich zusehends. Ich lockerte den Druck der Klinge, sodass sie das Seil nicht mehr berührte.
Unterdessen machte mir das Gift immer mehr zu schaffen, es tobte in meiner Brust wie eine an Wucht und Höhe gewinnende Sturmwelle. Ich war der Ohnmacht nahe, sah nur noch wie durch einen gelben Nebel. Der Raum drehte sich. Wieder erbrach ich. Links von mir auf der Bettumrahmung sah ich die Spritze und die halb leere Phiole mit dem Serum. Ich brauchte es, und zwar jetzt.
Wieder klingelte mein Handy.
Ich fuhr zusammen. Das Mobiltelefon lag auf dem Regal, drei Meter von mir entfernt. Wieder läutete es, dann ein drittes Mal. Ich hörte Lil die Treppe herunterpoltern. Ich versuchte, die Scherbe zu verstecken, so wie Taschenspieler eine Münze verschwinden lassen.
Sie stieß die Tür auf, als das Handy zum fünften Mal klingelte, dann
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