Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
war.
»Stanford?«, hakte sie nach. »Die nehmen nicht jeden. Das weiß ich aus Erfahrung, ich hab’s nämlich auch versucht.«
Ich zuckte die Achseln. »Meine Mom hat dafür gesorgt, dass wir was lernten, und meinen Wurfarm, eine echte Kanone, habe ich von meinem Dad geerbt. Leider war ich doch nicht gut genug.«
Sie wartete auf mehr.
»Ich war ein so genannter Fireballer«, erklärte ich. »Im ersten Studienjahr spielte ich im Halbfinale der National College Athlete Association Pitcher, und die gegnerische Mannschaft konnte nur einen meiner Bälle schlagen. Noch im selben Winter wurde ich von den Boston Red Sox angeworben. Im zweiten Jahr an der Uni verbuchte meine Mannschaft vierzehn Siege, keine Niederlagen, und hatte pro Spiel im Schnitt zwölf Strikeouts. Da machten mir die Sox ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Gegen den Rat meiner Mutter und meines Onkels schmiss ich mein Studium, um für den Rest des Sommers in der Zweit- und Drittligamannschaft der Sox mitzuspielen. Im Winter spielte ich dann mit meinen Leuten zwei Monate in der Dominikanischen Republik und schloss mich zum Frühjahrstraining der Major-League-Mannschaft an.«
»Major League? Das ist ja nicht zu fassen!«, rief sie und klatschte begeistert in die Hände.
»Ja, aber nicht einmal eine Saison. Genau gesagt, waren es insgesamt neunzehn Spiele. Von den ersten achtzehn haben wir fünfzehn gewonnen, drei verloren. In Sports Illustrated erschien sogar ein Artikel über mich, und ich wurde als Newcomer des Jahres gehandelt.«
»Was ist dann passiert?«
Ich zögerte, wählte meine Worte mit Bedacht. »Es war Mitte August. Wir spielten gegen die Yankees. Ich war wie weggetreten an diesem Abend, alles schien in Zeitlupe abzulaufen, und ich glaubte, ich sei der Einzige, der die Physik des Spiels begriff. Ich hatte sie in der Tasche, in sechs Innings hatten sie keinen einzigen Ball geschlagen. Reggie Jackson stand mir als Batter gegenüber, einen Ball hatte er nicht getroffen, zwei waren zu hoch oder zu niedrig gekommen, eine Situation, wo ein Mister Wonderful wie er meint, dass man allmählich nachlässt. Ich beschloss, den Ball schnell, niedrig und korrekt zu bringen. Also holte ich aus, technisch gesehen machte ich es ganz genauso wie schon seit Jahren.
Aber als ich zum Wurf ansetzte, war da ein splitterndes Geräusch, und es tat höllisch weh. Die Zuschauer im Fenway Park hielten den Atem an, und mir blieb förmlich die Luft weg. Dann liege ich auf dem Boden, noch halb auf dem Mound, zittere, unter Schock vermutlich, und als Einziger auf dem Spielfeld habe ich keine Ahnung, was passiert ist.«
Susan schlug sich die Hand vor den Mund. »Was war passiert, Shay?«
»Die offizielle Erklärung lautet, dass der Wurfimpuls und die Stärke meiner Schulter- und Armmuskulatur meinen Oberarmknochen schlichtweg überfordert haben. Er ist direkt über dem Ellbogen zersplittert und hat meinen Bizeps und sämtliche Bänder zerhackt.«
»Mein Gott!«, rief Susan. »Das konnte man nicht mehr hinkriegen?«
»Jedenfalls nicht gut genug, um weiter in der Major League zu spielen. Meine Karriere war vorbei, bevor sie richtig angefangen hatte.«
»Das muss ja schrecklich für Sie gewesen sein.«
Sie sagte das mit so ungekünsteltem Bedauern, dass sich mir die Kehle zuschnürte. Überrascht von ihrer Reaktion vertraute ich ihr etwas an, was nur sehr wenige Menschen über mich wussten. »Als ich im Krankenhaus aufwachte, war ein Teil von mir gestorben – der Teil von mir, in dem mein Vater weitergelebt hatte. Es war sein Traum gewesen, dass ich Baseball-Profi werde.«
»Aber Sie haben sich irgendwann damit abgefunden und sind dann Polizist geworden, um sein Andenken in Ehren zu halten«, sagte sie nachdenklich.
Mich beschlich das Gefühl, dass Susan wirklich etwas Besonderes war, auf intelligente Weise gefühlvoll, mit der Gabe, im rechten Augenblick das Richtige zu sagen.
»Wahrscheinlich haben Sie Recht. Nach einem Jahr und zwei Operationen wurde mir klar, dass ich im Grunde Glück gehabt hatte. Einen wunderbaren Sommer lang hatte ich erlebt, wovon die meisten Jungs träumen, wenn sie zum ersten Mal ein Baseballfeld betreten. Ohne das Stipendium konnte ich mein Studium an der Stanford nicht abschließen. Also wechselte ich an die San Diego State und machte meinen Abschluss in Kriminalistik. Zwei Wochen später ging ich auf die Polizeiakademie. Seitdem ist die Polizei mein Leben.«
Susan ergriff meine Hand. »Es tut mir Leid, dass Sie nicht
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