Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
traten durch die Tür, als Reardon uns nachschrie. »Wenn rauskommt, dass ich Leute mit heißer Ware verpfeife, ist mein Geschäft im Eimer. Reptilienfreunde halten zusammen.«
Ich drehte mich um und sah ihn an, dann wanderte mein Blick durch den leeren Laden. »Es kann doch unter uns bleiben, Paul.«
34
Es war kurz vor sechs, als wir wieder ins Büro kamen. Freddie saß an Jorges Computer. Ich gab ihr eine Liste mit siebenunddreißig aktiven Sammlern von illegalen Reptilien in San Diego County und bat sie, die Namen mit den Vorstrafenregistern und allen in Kalifornien aktenkundigen Strafsachen abzugleichen.
»Heute kann ich nicht mehr lange bleiben, aber ich setz mich gleich morgen früh dran«, versprach sie.
»Ist in Ordnung, morgen arbeiten alle. Am Sonntag machen wir frei.«
»Außer wir kriegen heute Abend noch einen Fall«, meinte Rikko gähnend. »Die letzten beiden Freitage hat er ja zugeschlagen.«
»Deshalb gehen wir ja jetzt auch alle nach Hause, schlafen gründlich aus und tauchen morgen früh pünktlich hier auf. Pager und Handys bleiben über Nacht an. Ausreden gibt’s nicht.«
Zu Hause auf der Chant fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Ich war überzeugt, dass mich das Telefon bald wecken würde. In einem unangenehm realistischen Traum sah ich ein Geschöpf mit Nick Fosters Oberkörper und dem Unterleib einer Schlange, das sich durch die Wurzeln exotischer Pflanzen schlängelte und zischelnd meinen Namen rief. In einem zweiten Albtraum wurden die Schlangen auf dem Kopfputz der Lilith lebendig und züngelten frei schwebend. Die Hälfte der Schlangen verwandelten sich in Taipans, die andere in Chamäleons, deren Haut in allen Farben des Feuers schillerte.
Jimmy saß schweigend auf der Bank, als ich zu unserem Vormittagsspiel auf dem Baseballfeld von Coronado eintraf. Fay sagte, er hätte kaum ein Wort mit ihr gesprochen, seit er aus der Schule heimgekommen war. Christina hatte angerufen. Sie wollte Jimmy am Mittwoch nach der Schule zum Eis einladen. Ich fragte Jimmy, ob er mit mir am Sonntag angeln gehen wollte, und er schüttelte den Kopf.
»Okay, Jimbo«, sagte ich traurig, als er davonstampfte. »Wie du meinst.«
Als ich ins Präsidium kam, warteten Missy, Jorge und Freddie schon auf mich. Alle drei hatten diesen ganz besonderen Gesichtsausdruck, den ich seit meiner Kindheit kenne: das Gesicht gerötet, die Lippen von der Zunge benetzt, aufgeregter Blick. So hatte mein Vater ausgesehen, als ich ihn zum letzten Mal lebend sah: Anfang Mai, eine Woche nach meinem zehnten Geburtstag.
Am Mittwoch kochte meine Mutter immer Spaghetti. An diesem Tag kam er zum Abendessen nach Hause. Er hatte vorher ständig Doppelschichten geschoben. Außer an meinem Geburtstag, da hatten wir einen Ausflug in den Vergnügungspark in Nantasket Beach gemacht, aber die vier Wochen davor hatte ich ihn kaum gesehen. Er arbeitete an einem großen Fall. Beim Essen flirtete er mit meiner Mom und lobte Christina für die Eins, die sie in irgendeinem Fach geschrieben hatte. Es nieselte schon den ganzen Tag, aber nicht genug, um das Spiel der Red Sox gegen die Baltimore Orioles zu verschieben.
Nach dem Essen saßen wir auf der Couch im Wohnzimmer und sahen das Spiel auf Channel 38. Fred Lynn im Left Center fing vier von vier Bällen, er sprang so hoch, dass er fast das Scoreboard erreichte, und stahl Frank Robinson einen sicheren Triple. Meine Mom erinnerte immer wieder daran, dass morgen Schule sei und ich ins Bett müsste. Aber mein Dad war so in das Spiel versunken, dass er davon nichts hören wollte. Er trank sein Bier und ich meine Limonade. Dazu aßen wir Popcorn. Das Spiel ging bis elf. Mein Dad lachte. »So ein Spiel siehst du so bald nicht wieder, Shay«, sagte er. »Merk dir, was du heute Abend gesehen hast, okay?«
Ich nickte verschlafen. Er nahm mich hoch und trug mich in mein Zimmer. Dann half er mir beim Ausziehen, deckte mich mit meiner Spiderman-Decke zu und küsste mich auf die Wange. Als ich noch einmal die Augen aufschlug, sah ich seine Silhouette im Türrahmen. »Gute Nacht, Shay«, sagte er.
»Nacht, Daddy.«
»Mach mir Ehre, ja?«
»Mach ich.«
Als ich einschlief, hatte ich das Aroma seiner Pall Mall in der Nase, den Limonenduft seines Aftershaves und jenen einzigartigen Geruch, den ich als Kind nicht einordnen konnte, den ich aber inzwischen genauestens kenne: der adrenalingepuschte Schweiß, die Ausdünstungen der Schuldigen, wenn sie gefasst werden, der Geruch, den Polizisten an sich haben,
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