Tradingpsychologie
neigt immerfort dazu, insbesondere jene Anteile, die er an sich selber nicht mag, mit anderen zu vergleichen. Daher schneidet er natürlich schlechter ab. So wird ein Vorbild zum falschen Motivator. Das führt allzu oft in eine Frustspirale und raubt positive Energien.
Trading ist ein anonymes Geschäft. Keiner kennt den anderen. Vorhaltungen wegen Fehlverhalten gibt es nicht, keinen Einzigen, der einen kritisiert, niemanden, der sich über die Leistungen beschwert oder mehr fordert. Gerade diese Bedingungen machen diesen Beruf so attraktiv. Und doch taucht immer wieder ein böser Kritiker auf – derjenige in uns!
Je unerfahrener der Trader ist, desto häufiger vergleicht er sich mit anderen. Wer macht eine stabile Performance? Wer hat das bessere System? Wer macht beständigere Gewinne? Wer hat den kleinsten Draw-down? Wer die größere Rendite? Wer macht weniger Verluste? Wer wendet die technische Analyse präziser an? Wer hat die letzte große Bewegung oder gar den Crash besser vorausgesehen? Wer sieht perfektere Einstiege?
Anfänger vergleichen sich ständig mit Profis und vergessen dabei vollkommen, wie sinnlos das ist. Schließlich brauchte es viele Jahre, um so routiniert zu handeln. Und diese Händler haben hart an ihrer mentalen Stärke gearbeitet, um ihr Handelssystem konstant umsetzen zu können. Sich als ungeübter Trader mit Profis zu vergleichen ist, als würde ich am Computer Formel-1-Videospiele spielen und mich fragen, warum ich eigentlich nicht in Monaco auch Formel-1-Rennerfahrer bin.
Wie Vergleiche durch Börsenmedien angefeuert werden, zeigt die Artikelserie einer Wochenzeitung mit der Überschrift »Verpasste Chancen«. Vorgestellt wird jeweils eine Aktie, die in den letzten Monaten eine riesige Aufwärtsbewegung zurückgelegt hat. Der Autor weiß vermutlich gar nicht, was er damit bewirkt. Sicher ist, er nutzt das Wunschdenken eines unerfahrenen Kleinanlegers: Aktien zu irgendeinem Zeitpunkt zu kaufen und zu hoffen, dass man ganz oben aussteigt. Wo, bitte schön, ist da ein duplizierbares System? Aber solch journalistischer Unsinn kann dazu führen, dass Trader in die Vergleichsfalle tappen und sich sagen: »Siehste, andere haben wieder fett abgesahnt. Und ich?«
Die Straße des Vergleichens führt immer in eine Sackgasse. Wieso will man sich mit einem anderen messen? Beim Trading kommt es vor allem darauf an, seinen persönlichen Handelsstil zu finden. Dieser ist immer geprägt von den individuellen Anlagen und Fähigkeiten. Oberstes Gebot beim Trading ist, sich gut zu fühlen, der Handel muss leicht von der Hand gehen. Es geht nicht darum, genauso gut wie ein anderer zu sein, sondern eher darum, sich zu fragen: »Was könnte ich von einem anderen lernen?« Vorausgesetzt, Sie möchten an einem gewissen Punkt noch etwas lernen.
Wer sich durch Vergleiche von sich wegbringen lässt, vertraut sich nicht. Und kein hundertprozentiges Selbstvertrauen in sich und seinen Handelsstil zu leben ist der Performance-Killer schlechthin beim Trading!
Was nützt es mir, wenn ein Scalp-Trader 100 Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaftet und hierzu 100 Trades am Tag durchführt. Ich hingegen als Positions-Trader nur zwei Trades am Tag einstelle und folglich unglücklich über meine Jahresperformance von 20 Prozent bin, obwohl mir Scalp-Trading weder liegt noch ich in der Lage wäre, 100 Trades am Tag zu machen!
Mit wem vergleiche ich mich da eigentlich? Das ist ein perfekter Weg, um die Lust am Trading zu verlieren und sich zunehmend selbst zu frustrieren.
Das Trading bietet viele Möglichkeiten, die Märkte zu interpretieren, jeder auf seine Weise. Die Frage sollte daher nicht lauten: » Sind die Betrachtungsweisen der Anderen die besseren?«, sondern: »Fühle ich mich mit diesen bei meinem Trading wohl?« Wer sich beim Handeln ausgeglichen und zufrieden fühlt, der hat viel erreicht. Glücklich in einem Beruf zu sein ist eine der wichtigsten Säulen unseres Daseins. Wüssten die Menschen, wie wertvoll dieser Aspekt für ihre Gesundheit ist, würden sie aktiv daran arbeiten, dem Konkurrieren untereinander ein Ende zu bereiten. Denn jedes negative Empfinden beeinflusst jede einzelne Zelle unseres Körpers, schwächt unseren gesamten Energiehaushalt.
Vergleichen ist eine Volkskrankheit. Wir tun es nicht nur beim Trading, sondern in unserem gesamten Dasein. Ständig überprüfen wir, wie gut wir sind, wie liebenswert, attraktiv, originell, intelligent, wohlhabend, einzigartig, witzig und vieles
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