Tränen aus Feenstaub
verfallen!“
„Ja, natürlich! Was sonst“, nickte Finn. „Und wie war das mit der Feuchtigkeit in deinen Augen gleich noch mal?“
„Feenstaub! Wenn man den in die Augen bekommt, fängt das Auge wahnsinnig zu tränen an“, erklärte Pina es so, als ob das eigentlich klar sein müsste.
Finn gab sich geschlagen, ganze 30 Sekunden lang. Dass Pina ihm irgendetwas nicht sagen wollte, stand für ihn fest. Denn dieses Mädchen war nicht besonders gut darin, zu lügen. Und wenn er noch irgendwelche Zweifel gehabt hätte, wurden die bei seiner nächsten Aktion beseitigt.
Denn jeden Schritt, den er auf sie zumachte, wich sie zurück. Bis sie stehen bleiben musste, weil sie mit dem Rücken an ein Beiboot anstieß. Aber Finn kam trotzdem noch ein wenig näher, bevor er stehen blieb und einen seiner Arme vor ihr ausstreckte.
„Ich bin nicht ganz blöd, Pina!“, begann er ganz ruhig. „Du hast vielleicht zu weinen aufgehört, der Himmel aber nicht! Siehst du die Regentropfen auf meinem Arm? Kannst du ehrlich behaupten, dass sind nicht die Tränen, die du weinen möchtest?“
Pina sah Finn ins Gesicht und seine Züge wurden zu dem Finn, den sie im Krankenhaus gesehen hatte.
„Es tut mir so leid, Finn! Es tut mir so unendlich leid!“ Pinas Tränen kamen zurück, heftiger als zuvor. „Wie kann ich dir so etwas sagen, wie? Das kannst du nicht von mir verlangen! Das kann keiner von mir verlangen!“
12
„Wer, wenn nicht du, sollte es ihm erzählen?“, mischte sich eine Stimme ein.
Finn stöhnte. Nicht schon wieder der Matrose, der behauptet hatte, es wäre ihrer beider Schicksal, auf diesem Schiff zu reisen.
Pina blickte wie ein verschrecktes Kaninchen von einem zum anderen.
„Komm schon!“, forderte sie der Matrose erneut auf. „Sag es ihm!“
Finn passte diese Einmischung nicht. Wie konnte dieser Seemann Pina nur so dreist bedrängen. Sah er nicht, dass sie schon fast panisch reagierte? Er wollte die Angelegenheit auf seine Weise regeln. Denn es war nun sehr unwahrscheinlich geworden, dass das verängstigte Mädchen noch irgendetwas Brauchbares verraten würde.
„Sag es ihm endlich!“, drängte der Seemann immer weiter.
Finn wurde jetzt ernsthaft sauer. Was auch immer Pina wusste, sollte sie ihm freiwillig und in Ruhe erzählen. Darum hätte er nichts lieber getan, als dem Typen das Maul zu stopfen. Was diesem auch langsam klar wurde, da ihn Finn ausgesprochen wütend anstarrte. Es konnte sich nur noch um Augenblicke handeln, bis der Biker die Geduld verlor und sich auf ihn stürzte. Doch bevor es zu Gewalttätigkeiten kam, brach das, was Pina wusste, aus ihr heraus.
„Er liegt im Koma!“, schrie sie dem Matrosen entgegen. „Finn liegt im Koma und ich weiß nicht, was ich für ihn tun kann!“
Bei diesen Worten fuhr Finn zu Pina herum. Leider war ihm der Ärger über den dreisten Matrosen noch deutlich ins Gesicht geschrieben. Finns wütende Miene bezog Pina auf ihr gebrülltes Geständnis. Weshalb sie zur Seite wich, weg von Finn. „Es tut mir so leid!“, schluchzte sie noch einmal, ehe sie sich einfach auflöste.
* * *
Pina erwachte in den frühen Morgenstunden durch ihre eigenen Tränen.
Oh Gott! Was hatte sie getan? Finns zornige Mine stand ihr so deutlich vor Augen, als ob er direkt vor ihr stehen würde. Wie hatte sie ihm so eine Nachricht nur entgegen brüllen können? Du liegst im Koma! Da hätte sie auch gleich sagen können, tut mir leid, aber du bist tot.
Warum nur hatte sich dieser Matrose einmischen müssen? Wenn er nicht so gedrängt hätte, wäre es ihr vielleicht gelungen einen Weg zu finden, Finn schonender darüber zu informieren, was ihm in der realen Welt zugestoßen war.
Aber wem machte sie da etwas vor? Es gab keine geeignete Methode, jemanden zu sagen, dass er schwer krank war. Wusste sie das nicht aus eigener Erfahrung? Hatten ihre Eltern nicht auch versucht, die Wahrheit solange es ging, von ihr fernzuhalten? Was sie schier verrückt gemacht hatte. Schließlich war sie selbst es gewesen, die den behandelnden Arzt direkt gefragt hatte. Und der war erleichtert darüber, endlich offen mit ihr sprechen zu können.
Seit Pina wusste, dass ihre Form der Leukämie nur sehr wenige Menschen überlebten, wusste sie auch endlich, wofür sie jeden Tag kämpfte. Und jetzt konnte sie auch jeden kleinen Fortschritt als Erfolg annehmen.
Für Finn musste das Wissen um seinen Zustand in dieser Welt ein Schock sein. Aber sicher war es ihm lieber, endlich Bescheid zu wissen.
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