Tränen aus Feenstaub
kannst du nicht in deinen Körper zurückkehren, ich aber schon? Was ist es, das gerade uns beide miteinander verbindet?“
Finn begann damit, Antworten auf Pinas Fragen zu suchen. Er begann mit der Frage, die ihm am Einfachsten schien.
„In meinen Körper kann ich wohl deshalb nicht zurückkehren, weil das Koma mir die Möglichkeit genommen hat. Und ich habe das Gefühl, als ob der Weg zurück in die reale Welt immer länger wird und die Erinnerungen immer mehr verschwimmen.“
Aber warum bestand zwischen ihm und Pina diese Verbindung? Oder irrte er in diesem Punkt? Gab es diese Verbindung wirklich oder bestand etwas Ähnliches auch zwischen allen anderen auf dem Schiff?
„Pina, seit wann liegst du im Krankenhaus?“
Das gehörte zu den unangenehmen Fragen, die Pina nicht besonders mochte. Sie wusste, dass Finn nicht einfach aus Neugier fragte. Er wollte nur eine Antwort auf ihre letzte Frage finden. Was war es, das sie verband?
„Seit zwei Monaten!“, lautete die einsilbige Antwort.
„Was hast du für eine Krankheit?“
Das hatte sie bereits dem Teil von Finn gesagt, der im Koma lag. Da konnte sie es auch noch einmal sagen.
„Ich habe Leukämie und eine Heilung ist sehr unwahrscheinlich!“
Es wurde nicht leichter, dies auszusprechen auch wenn man es in andere Worte verpackte. Die Tatsachen veränderten sich dadurch nicht.
„Willst du damit sagen, du stirbst?“
Finn gehörte nicht zu den Leuten, die ein Blatt vor den Mund nahmen. Er war ein Biker, auch wenn er das langsam vergaß. Aber das änderte nichts an seinem Charakter. Wenn er einer Sache auf den Grund gehen wollte, dann tat er das auch.
„Ja, ich werde sterben!“, gab Pina zu. „Aber ich versuche noch so viel Freude zu haben, wie mir möglich ist.“ Das klang fast nach einer Verteidigung und vielleicht war es das auch. „Ich habe es besser getroffen als du. Ich kann meine Umwelt noch wahrnehmen!“
Was Pina damit gesagt hatte, war ihr gar nicht klar. Und auch Finn brauchte einige Augenblicke, bis er den Sinn hinter diesen Worten verstand.
Er konnte die reale Welt nicht mehr wahrnehmen. Er war von seinem Unfall so geschädigt, dass sein Geist keinen Zugang mehr zu seinem Körper fand. Das bedeutete, er und Pina teilten das selbe Schicksal: Sie waren beide dem Tod gefährlich nahe gekommen!
14
Als Pina die Augen aufschlug, verschwamm alles vor ihr. Aber sie nahm zumindest soviel wahr, dass sie erkannte, wo sie sich befand. Sie lag in ihrem Bett im Krankenhaus und hatte keine Erinnerung daran, wie sie hierher gekommen war. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war, dass sie an Finns Bett gesessen und versucht hatte alles zu erklären.
Die andere Erinnerung an Finn auf dem Schiff gehörte in die Kategorie Träume oder Wunschdenken und zählte daher nicht. Doch die Frage blieb, warum sie jetzt wieder in ihrem Bett lag. Sie war bestimmt nicht auf ihren eigenen Beinen zurückgekommen, das wüsste sie. Allerdings konnte sie sich nicht wirklich auf diese Frage konzentrieren und schlief wieder ein.
* * *
Verdammt! Pinas Umgebung wechselte so plötzlich, dass sie sich schwer tat, sich umzustellen. Sie saß jetzt auf einem großen Holzfass an der Reling und beobachtete, wie Matrosen Vorräte vom Kai auf das Schiff trugen. Finn war nicht unter ihnen. Auch als sich Pina umsah, konnte sie ihn nirgends an Deck entdecken. Dafür stand aber ein anderer ihr unbekannter Mann nur wenige Schritte von ihr entfernt und beobachtete das Kommen und Gehen an Bord. Sie glaubte nicht, dass er sie bemerkt hatte, aber darin irrte Pina.
„Ich sehe, du bist wieder da, Pina!“
Der Mann stand mit dem Rücken zu ihr und hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt. Pina wusste nicht, wie sie auf seine Bemerkung reagieren sollte. Wenn er nicht ihren Namen genannt hätte, wäre sie nie darauf gekommen, dass er sie gemeint haben könnte.
„Es wird nicht mehr lange dauern!“, teilte er ihr mit und beobachtete dabei weiter die arbeitenden Matrosen.
Pina war neugierig genug nachzufragen, was er damit gemeint hatte. „Was wird nicht mehr lange dauern?“
Nun drehte sich der Mann um und widmete sich voll und ganz dem Gespräch mit ihr. Pina konnte erkennen, dass ihr Gegenüber nicht mehr jung war. Er trug einen blonden Vollbart, der genau wie seine Haare von silbernen Strähnen durchzogen war.
„Es dauert nicht mehr lange, bis wir auslaufen können.“
„Nicht?“, was sollte sie sonst auf diese Mitteilung auch sagen?
„Ihr werdet bald soweit
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