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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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nachließ. Wie gern hätte sie laut geschrien, um auf ihre Entführung aufmerksam zu machen. Ein vergebliches Verlangen, da die Männer für ihr Stillschweigen gesorgt hatten. Über dem Holpern und Rumpeln des Karrens drang von irgendwoher das Schlagen einer Nachtigall an ihr Ohr. Wie seltsam, dachte sie, an einem so kalten Winterabend diesen Vogel zu hören.
    ***
    Maxim Seymour hielt inne, als er die leisen Töne vernahm, und nickte kaum merklich. Den Blick auf Edwards glühendes, schweißnasses Gesicht gerichtet, stieß er halblaut hervor: »Wiesel, der Wolf gewährt dir eine Gnadenfrist. Ich habe jetzt, was ich mir holen wollte und wofür du teuer bezahlen wirst.«
    Damit sprang Maxim beiseite und warf einen hastigen Blick in die Runde. Kaum zwanzig Männer waren anwesend, die imstande waren, ihn zu verfolgen, doch die meisten von ihnen zögerten. Die Edward ergeben waren, scharten sich um einander, als er ausrief: »Er entkommt! Laßt ihn nicht entwischen! Er ist ein Verräter an der Königin!«
    Maxim riß eine Samtdraperie vom Fenster und schleuderte sie seinen Verfolgern entgegen. Während sie sich aus den Stoffmassen zu befreien suchten, stieß er einen der langen Tische inmitten der Gäste um, sprang auf den nächsten und bewarf von oben die Gäste mit Geschirr. Er schien in Hochstimmung, als er zur Tür lief, stehen blieb und grüßend seinen Degen gegen Edward hob.
    »Squire, diesmal sage ich Euch Adieu. Gewiß werden die meisten Anwesenden über mein Verschwinden nicht allzu betrübt sein.«
    Sein Arm schoß hoch, und der Degen bohrte sich in einen Balken der gewölbten Decke, wo er zitternd stecken blieb. »Lebt wohl, Squire«, empfahl Seymour sich mit schwungvoller Verbeugung. »Ich hinterlasse Euch ein Zeichen, das Euch an meine Rückkehr erinnern soll. Gürtet Euch, auf den Kampf gefaßt, bis zu jenem Tag, oder ergreift die Flucht und betet darum, daß ich Euch nicht finde.«
    Edward wandte den Blick nach oben. Das Aufblitzen der bebenden Klinge schien ihn zu hypnotisieren, und als er sich umblickte, war sein Widersacher verschwunden.
    »Ihm nach!« rief er aus, finster um sich blickend, als niemand seinen Befehl befolgte. »Soll die Königin uns für Feiglinge halten, weil wir einen Verräter entkommen ließen? Sie wird unsere Köpfe fordern, wenn wir nicht versuchen, ihn zu fassen.«
    Mühsam wurde nun der schwere Tisch aus dem Weg geräumt, und die mit verschiedenen Saucen oder Fleischteilen besudelten Männer rappelten sich, aneinander Halt suchend, langsam auf. Angeekelt befreiten sie sich von den klebrigen Speiseresten und stolperten Edward nach, der durch das Portal hinausstürmte.
    Kaum waren sie vor das Hausportal getreten, als sie von der Zufahrt her Hufgetrappel hörten. Unter einem Dach kahler Äste, die sich von den Alleebäumen himmelwärts reckten, konnten sie die dunkle Gestalt eines Reiters auf dem friesischen Rappen ausmachen.
    Edward stieß einen lauten Fluch aus, als er Seymour davongaloppieren sah. Dann wandte er sich an die Umstehenden und feuerte sie an: »Zu Pferd! Rasch zu Pferd! Wir können ihn nicht entkommen lassen!«

3
    Die erstickende Umhüllung und das Gewicht der zwei Männer auf den Strohballen über ihr bereiteten Elise Höllenqualen. Die um den Stoff geschlungene Kordel schnitt ihr in die Arme; ihr Verstand aber arbeitete fieberhaft. Welche Gräueltaten standen ihr bevor? Diese Ungewissheit steigerte ihre Angst, und das gedämpfte Rumpeln der hölzernen Räder auf der holprigen Straße erschien ihr wie das Echo ihres wild pochenden Herzens. Nach vielen Versuchen schaffte sie es endlich, eine Hand unter die Hüfte zu schieben. Dabei entdeckt sie eine Öffnung in den Falten ihrer Umhüllung. Sie steckte die Hand durch und begann, die Seidenschnur nach einem Knoten abzutasten. Da ließ ein dumpfes Geräusch sie innehalten. Pferdegetrappel! Jemand hatte die Verfolgung aufgenommen! Jetzt nahte die Rettung!
    Doch plötzlich verließ der Karren den Weg. Holpernd ging es ein Stück dahin, dann blieb er stehen; die Hufe wurden lauter, klapperten in unmittelbarer Nähe vorüber und verklangen. Wieder beherrschten die Geräusche der Nacht die Szene. Diese Stille dauerte jedoch nicht lange, denn alsbald näherte sich von neuem Hufschlag. Diesmal waren es mehrere Pferde, ein Dutzend oder mehr. In das Hufgetrappel mischten sich laute Rufe; unter den Wortfetzen hörte sie das laute, anfeuernde Gebrüll ihres Onkels heraus.
    »Leute, reitet schneller! Wir bringen diesen teuflischen

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