Traenen des Kummers, Traenen des Gluecks
vorher. Nan konnte es ihm nicht verdenken, ihr ging es ja nicht anders. Wo war die unbeschwerte Freundschaft geblieben, die sie in der Vergangenheit verbunden hatte?
So viel hatte sich geändert, seit Corry gestorben war. Freunde, mit denen sie und ihr Mann früher glückliche Zeiten verbracht hatten, schienen jetzt Probleme zu haben, mit ihr eine normale Unterhaltung zu führen. Kaum jemand wusste, was er sagen sollte, kaum jemand fand die richtigen Worte. Auch David war früher ein wirklich guter Freund gewesen. Doch anstatt ihr in schlechten Zeiten zur Seite zu stehen, hatte er sich nach Corrys Tod vollkommen zurückgezogen. Von ihr und den Kindern.
„Entschuldige, dass ich so lange nicht mehr bei euch vorbeigeschaut habe“, sagte er, den Kopf immer noch über die Katze gebeugt. Hatte er gespürt, woran sie gerade dachte? „Ich hätte versuchen sollen, dir und den Kindern beizustehen.“
Es klang so viel Betroffenheit in seiner Stimme mit, dass Nans eigener Kummer für einen Moment zurücktrat. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie verraten sie sich damals gefühlt hatte, als David sie nach Corrys Beerdigung nicht mehr besucht hatte. Als Corry starb, hatte sie beides verloren, einen liebenden Ehemann und einen treuen Freund, zu dem sie absolutes Vertrauen hatte. Sie war wütend und verletzt gewesen. Auf Corry, weil er gestorben war. Auf David, weil er sie im Stich gelassen hatte. Aber vor allem auf das Leben, weil es sie so gestraft hatte. Weil es so verdammt unfair war.
Aber das Leben war auch nicht besonders nett mit David umgegangen. Er hatte Corry geliebt. Aber leider hatte er diese Liebe nicht auf dessen Familie übertragen. Vielleicht hätte es David nicht ertragen, durch sie und die Kinder ständig an seinen Schmerz erinnert zu werden? Sie wusste es nicht, doch sei's drum: Welchen Grund er auch immer gehabt haben mochte, sich vollkommen zurückzuziehen, er hatte sie damit sehr verletzt. Und das in einer Zeit, in der sie ihn dringend gebraucht hätte.
„Wir haben dich vermisst“, meinte sie schließlich.
Er streichelte immer noch die Katze, aber sie sah, wie ein Muskel in seinem Gesicht zuckte. „Ich konnte einfach nicht akzeptieren, was geschehen war“, stieß er hervor.
Sie nickte, lehnte sich vor und ergriff seine Hand. „Es gibt nichts, was du hättest tun können.“
Er umfasste ihre Hand und schaute ihr in die Augen. Seine Hand war warm und ein wenig rau, und er schien ihr etwas von seiner Energie zu übertragen. „Ich hätte in jener verdammten Nacht als Erster hineingehen sollen.“
Eine tiefe Traurigkeit stieg in ihr auf. Auch sie hatte sich nach Corrys Tod tausende Fragen gestellt, immer wieder. Doch eins wusste sie: David machte sich unnötig Vorwürfe. „Corry war der Erfahrenere und der Dienstältere von euch beiden. Und du weißt, dass er sich immer an die Vorschriften gehalten hat.“
David schloss für einen Moment die Augen. „Aber ich hatte keine Familie hinterlassen, die mich braucht.“
Ihr Herz krampfte sich zusammen. Wegen ihm. Wegen ihrer Kinder. Wegen ihr selbst. „Lass es los, David. Es ist vorbei.“
„Es wird nie vorbei sein.“ Er schüttelte den Kopf. „Nicht für dich und deine Kinder. Und auch nicht für mich.“ Er drückte ihre Hand und starrte dabei ins Leere. Offenbar versuchte er, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. „Vielleicht kann ich dir mit Justin helfen. Ich arbeite seit einiger Zeit mit gefährdeten Teenagern. Ich habe ein spezielles Programm entwickelt, ihnen eine Alternative zu Drogen und Waffen zu zeigen. Vielleicht kann ich auch etwas für Justin tun.
Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast.“
Sie sah ihn alarmiert an. „Drogen und Waffen? Justin?“
David erwiderte ernst ihren Blick. „Vielleicht jetzt noch nicht. Aber die Jungs, die heute Nacht mit ihm dabei waren, wirkten älter als Justin. Ich wette, sie haben ihn unter Druck gesetzt. Er wollte einer von ihnen sein. Das ist immer gefährlich.“
Nan wusste, dass sie den Tatsachen ins Gesicht sehen musste, bevor es zu spät war. Und sie hatte bereits gehört, dass David sehr erfolgreich mit Teenagern arbeitete. Zeitungsartikel und Bemerkungen von Freunden hatten sie auf dem Laufenden gehalten.
„Justin und ich haben früher viel Spaß zusammen gehabt. Vielleicht könnte ich ihn mal mit auf mein Boot nehmen, so wie Corry und ich es früher getan haben.“
Es war noch nicht lange her, dass Nan sich an ihren Mann erinnern konnte, ohne in Tränen auszubrechen. Und
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