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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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mitangesehen hatten, ebenfalls aufbrachen.
     
    Am nächsten Tag hatte Tyndall sich bereits erholt und bestand darauf, mit der Arbeit weiterzumachen. Yoshi stimmte zu, doch zum ersten Mal, seit er mit dem Tauchen begonnen hatte, begleitete ihn die Angst, als er sich von Bord fallen ließ. Er erinnerte sich an den Untergang der Flotte seines Vaters nach einem Angriff durch einen Wal.
    Der Rest der Fahrt verlief jedoch ohne Vorkommnisse, und Tyndall fand große Freude in den Armen der ausgelassenen Niah, die kein Geheimnis aus ihrer Ergebenheit und Zuneigung für ihn machte.
    Eines Abends saß sie im Schneidersitz auf der Koje, hielt seinen Kopf im Schoß und massierte seine Kopfhaut. Sie fragte ihn, ob es andere Frauen in seinem Leben gab, was, wie er dachte, wohl alle Frauen zu fragen pflegten. Sie wollte alles über Mem Hennessy wissen, und er versuchte zu erklären, daß sie nur Freunde seien, Geschäftsfreunde.
    »Warum du ohne Frau?« fragte sie und gebrauchte sogleich das neue Wort, das sie gelernt hatte.
    Tyndall schloß vor Wonne die Augen, als ihre kraftvollen Finger durch sein Haar fuhren und wohltuend über seine Kopfhaut glitten. »Äh, ich hatte mal eine. Weit, weit weg. Sehr kalt. Dir würde es da nicht gefallen.« Er hatte jahrelang nicht an Belfast gedacht. Es war seine Vergangenheit, die jetzt keine Bedeutung mehr hatte.
    »Wo ist Frau?«
    »Wohl im Himmel. Wo die Seele ist. Sie starb. Große Krankheit.« Er wollte nicht weiter darüber reden und schob ihre Hände nach unten, damit sie ihm den Nacken massierte.
    »Mem Hennessy auch Frau«, sagte Niah nach einer Weile. Tyndall sah leicht verwirrt zu ihr hoch.
    »Ja, das ist richtig. Sie ist auch eine Frau.« Er wollte es dabei belassen.
    Niah schwieg eine Weile und massierte seinen Kopf.
    »Du mögen Mem Hennessy?«
    Tyndall wurde starr, hielt ihre Hände fest und blickte sie an. »Guter Gott, Mädchen, worauf willst du hinaus? Sie mögen? Hm, sie ist eine nette junge Frau. Warum fragst du?«
    »Mem Hennessy mich nicht mögen. Nicht wollen, du mich bekommen.«
    »Quatsch.«
    »Du schon sehen«, sagte Niah traurig. »Sie schicken Niah weg.«
    »Unsinn.« Tyndall zog sie zu sich herunter. Sie lag auf ihm, leicht wie eine Brise. Ihr Haar und ihre Haut rochen nach Salz. Sie leckte sein Ohr und schmiegte ihr Gesicht an seinen Hals, sie hing an ihm wie ein schmusendes Kätzchen. Tyndall wurde klar, daß sie Olivia als Bedrohung ansah. Sie war sich bewußt, daß sie sie wegschicken konnte. Und allmählich dämmerte ihm, daß dieses romantische Zwischenspiel bald ein Ende haben würde, wenn sie nach Broome zurückkehrten und wieder den neugierigen Blicken der kleinen Gemeinde ausgesetzt wären. Plötzlich war ihm die Vorstellung unerträglich, dieses hübsche, liebevolle Mädchen aufgeben zu müssen. Als sich unter Niahs erfahrenen Händen die Leidenschaft in ihm zu regen begann, beschloß er, sich später Gedanken darüber zu machen, was er mit ihr anfangen würde.
    Ähnliche Überlegungen hatte auch Ahmed schon angestellt, und eines Abends, als Tyndall und er zur
Shamrock
zurückruderten, brachte er die Sprache vorsichtig auf Niahs Zukunft.
    Tyndall äußerte sich nur vage dazu. Es beunruhigte ihn, daß er sich so an sie gewöhnt hatte. Er hatte gar nicht bemerkt, wie leer sein Leben gewesen war, wie er Olivia und Conrad um ihr gemeinsames Leben, um ihre Partnerschaft beneidet hatte. »Keine Ahnung. Vielleicht könnte sie sich in Broome nützlich machen. Sie will nicht nach Hause zurück, hat ja auch gar kein Zuhause.«
    »Sich nützlich machen könnte zu viel Gerede führen, Tuan«, gab Ahmed zu bedenken.
    »Hmmm«, stimmte Tyndall halbherzig zu.
    »Nicht gut fürs Geschäft. Nicht gut für Mem und Tuan Hennessy. Alle Leute haben ihren Platz in Broome. Ihr brecht die Regeln«, seufzte Ahmed.
    Tyndall zeigte den Anflug eines Lächelns. »Ich weiß, was du meinst. Sie ist aber doch so ein süßes kleines Ding. Gescheit, weißt du. Unkomplizierter als die meisten Frauen in Broome, will ich meinen.«
    Als sie sich der
Shamrock
näherten, konnte er an Deck vor dem sternenübersäten Himmel Niahs Umrisse ausmachen. Eine prickelnde Erregung packte ihn jäh, die genauso plötzlich verschwand, als Olivia Hennessy in sein Bewußtsein drang. Ja, das würde schwierig werden, Mrs. Hennessy diese Beziehung zu erklären, gestand er sich selbst ein. Die alten Hasen in Broome würden ein Auge zudrücken, solange sie beide einigermaßen diskret vorgingen. Schließlich

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