Träum ich?: Roman (German Edition)
kommst, ist der Zug abgefahren.«
Ich lege auf, ohne auf seine Antwort zu warten, und gehe zu meinem Kleiderschrank. Mir fällt ein, dass ich nach meinem Gefängnisaufenthalt noch nicht unter der Dusche war, aber das ist mir egal. Zuerst greife ich nach einem Jogginganzug. Damit werde ich’s ihm zeigen.
Als ich ihn anziehe, fällt mein Blick auf ein eng geschnittenes schwarzes Etuikleid, das ich schon immer besonders gemocht habe. Es ist eines dieser seltenen magischen Kleider, die wir alle haben und die immer perfekt passen, auch ohne Push-up- BH und Korsage.
Ich werfe den Jogginganzug auf den Boden, zerre das Kleid aus dem Schrank und ziehe es an. Dann stelle ich mich vor den Spiegel.
Ich sehe einfach zu gut aus.
Also ziehe ich’s wieder aus und lasse es liegen, wo es hinfällt.
Kurz darauf liegt mein halber Kleiderschrank auf dem Schlafzimmerboden. Nur noch eine Jeans hängt im Schrank. Ich starre darauf, als wäre es Gogo. Ich streiche über den Stoff. Diese Jeans habe ich zuletzt bei meiner Hochzeit in Vegas getragen. In der Nacht, als ich versprach, bei Gogo zu bleiben, in guten und in schlechten Zeiten, in Armut und Reichtum, Krankheit und Gesundheit, bis dass der Tod uns scheidet.
Ich nehme die Jeans vom Bügel und halte sie mir an, damit sie mich an die glücklichste Nacht meines Lebens erinnert. Ich wünschte, sie könnte sprechen. Ich wünschte, sie könnte mir sagen, wie das alles passieren konnte: wie ich in der einen Sekunde noch überglücklich war und in der nächsten am Boden zerstört.
Langsam ziehe ich die Jeans an, knöpfe sie zu und schließe den Reißverschluss. Seit ich sie das letzte Mal anhatte, habe ich abgenommen, wie ich bei einem Blick auf meinen Po im Spiegel feststelle.
Doch dann spüre ich etwas in der hinteren Hosentasche. Etwas Flaches, wie eine Kreditkarte. Ich ziehe es heraus und betrachte es.
Es ist der Türöffner für unsere Honeymoon-Suite, in der ich nie schlafen durfte. Es ist der sichtbare Beweis dafür, dass es ein anderes Leben, eine andere, wunderbare Dimension gibt, die mir jetzt nicht mehr offen steht. Ich bin froh, dass ich zumindest einen Beweis habe, dass ich nicht verrückt bin. Aber letzten Endes ist es auch egal. Was soll’s? Gogo glaubt mir ja.
Trotzdem starre ich auf die Karte. Ich muss daran denken, wofür sie steht, was hätte sein können. Wir hätten uns lieben, zusammen leben und Kinder bekommen können.
Als der Zeiger der Uhr von 6.59 Uhr auf 7.00 rückt, klingelt es an der Wohnungstür.
Ich kann’s nicht.
Ich kann kein Miststück sein.
Ich kann nicht egoistisch sein.
Ich kann nicht noch jemanden unglücklich machen.
Ich renne zu meiner Kommode und hole ein Oberteil heraus. Zufällig ist es genau das, was ich an dem Tag meiner Hochzeit getragen habe. Es ist keine Absicht. Es lag nur zufällig ganz oben. Ich streife es über, gehe zur Wohnungstür und öffne sie.
Da steht Jonah, im Anzug. Er strahlt übers ganze Gesicht und hat zwei Dutzend rote Rosen im Arm.
»Du siehst umwerfend aus«, sagt er, und ich schaue an mir herunter. »Die sind für dich«, fügt er hinzu und reicht mir den Blumenstrauß.
»Sie sind sehr schön«, sage ich und nehme ihn. »Komm rein, Jonah«, sage ich und lege die Blumen auf den Esszimmertisch. »Setz dich.« Ich zeige zur Couch.
Jonah setzt sich aufrecht auf die Kante des Sofas. Früher hat er sich einfach darauffallen lassen und seine Füße, mit Schuhen, auf den Couchtisch gelegt.
Ich hole tief Luft und seufze.
»Jonah«, setze ich an.
»Ja?«, fragt er eifrig.
»Ich kann das nicht.«
»Ach, verdammt noch mal!«, ruft er und schlägt sich mit der Hand aufs Knie. »Ich wusste es. Ich wusste es einfach! Wenn man einmal nett zu einer Frau ist! Siehst du, was passiert? Siehst du es?«
Ich hab ihn noch nie so wütend erlebt.
»Bitte, Jonah, setz dich wieder und lass es mich erklären.«
»Ich brauch keine Erklärung, Lady«, sagt er und marschiert zur Tür. Doch dann hält er inne, blickt zu den Blumen und schnappt sie sich.
»Jonah, würdest du dich bitte noch mal hinsetzen«, sage ich.
Doch er erwidert nur: »Ich hab keine Zeit für so was, Lily.« Ganz der alte Jonah. »Ich hab was Besseres vor, das kannst du mir glauben. Pech für dich, Lily.«
»Ich weiß, Jonah. Ich weiß, dass es was Besseres für dich gibt.«
»Allerdings.«
»Jonah, ich weiß, dass da draußen irgendwo die Richtige auf dich wartet. Jemand, der dich so liebt, wie du bist, und nicht so, wie du sein willst.«
»Ach, hör
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