Traeum weiter, Mann
Geschichte gekommen? Woher holen Sie Ihre Inspiration? Gibt es eine echte Friederike in Ihrem Leben? Heiner versucht, bei seinen Antworten nicht mehr in die Tiefe zu gehen als unbedingt nötig. Die beste Ausrede: Er will seine Leser nicht durch seine Erklärungen bevormunden, sie sollen selbst ihren Zugang zu seinen Texten finden.
Schöning hält sich während der kleinen Plauderei zurück. Er weiß, dass alle wissen, dass er die komplette Geschichte verschlafen hat. Dafür starrt er Heiner die ganze Zeit nur böse an. Sehr böse, Heiner hat ein bisschen Angst, dass der Kerl ihn nach der Diskussion, wenn sie wieder alleine sind, erneut als Feind angehen wird.
Nach einer halben Stunde ist es soweit. Steff drängt zum Aufbruch, sie muss ihrer Mutter in der Pension beim Service helfen.
Ihre drei Freundinnen verabschieden sich überschwänglich von Heiner. Hoffentlich kommt er bald wieder zu Besuch! Und wie spannend, dass er ihnen sein Pseudonym nicht verraten möchte. Olga gibt augenzwinkernd die Order an die Damen aus, bis zum nächsten Mal Heiners Künstlernamen herauszufinden. Heiner lächelt milde und sieht aus den Augenwinkeln unsicher zu Schöning, der ihn weiter mit einem spöttisch-abschätzigen Lächeln mustert. Als alle mit zum Verabschieden auf die Straße gehen – trotz des einsetzenden Nieselregens –, wird es ihm offensichtlich zu viel mit der ständigen Lobhudelei für Heiner.
Er öffnet die Wagentür seines Landrovers und wendet sich plötzlich an Steff. »Komm, wir müssen los. Du kommst zu spät zu deiner Mutter.«
Heiner starrt ihn fassungslos an. Was bildet sich dieser Kerl ein? Steff ist doch nicht sein Eigentum? Wer sagt, dass sie unbedingt mit ihm zurück zum Möwenwind fahren wird?
Olga und ihre Lesefreundinnen scheinen Schönings Übergriffigkeit ähnlich zu sehen. Heiner beobachtet, wie sie einen Blick tauschen und die Nase rümpfen.
Und Steff? Die sieht ebenfalls überrascht zu Schöning. Aber in ihren Augen meint Heiner keinen Vorwurf, sondern Verlegenheit, ja Angst zu erkennen. Sie senkt den Blick und schüttelt zu seiner großen Erleichterung den Kopf.
»Nein, ich fahre mit Heiner zurück.«
»Wieso das denn?«, ruft Schöning verärgert, während Heiner Steff anstrahlt und merkt, wie sich ein warmes Gefühl in seinem Körper ausbreitet.
»Weil ich mit ihm auch hergefahren bin.« Steff bleibt ruhig.
Schöning starrt sie völlig verständnislos an. Heiner und alle Anwesenden können sehen, wie etwas in ihm zerbricht. Um ein souveränes Lächeln bemüht, hält Heiner Steff die Wagentür auf.
»Komm, Gerald hat recht, wir müssen los.«
Schweigend und mittlerweile im strömenden Regen verlassen sie Büthow. Heiner kann seine Genugtuung, dass sich Steff für ihn entschieden hat, kaum verbergen, ist aber schlau genug, sie jetzt nicht mit einem Dankeschön zu bedrängen.
Nachdenklich sieht sie aus dem Fenster in die immer grauer werdende Welt.
»Was für ein Sauwetter«, versucht Heiner die unangenehme Stille zu verscheuchen.
Steff nickt. »Darf ich das Radio anmachen?«, erkundigt sie sich.
»Klar.«
Steff dreht den kleinen Schalter um. Der Empfang ist miserabel. Mit ernster Miene sucht sie einen Sender und findet ausgerechnet Delta Radio, den von Heiner am meisten gehassten Schweinerock-Sender des Nordens.
Steff lächelt. »Ist das okay für dich?«
Heiner nickt nur verhalten, obwohl gerade wie fast immer »Californication« von den Red Hot Chili Peppers läuft.
Wieder schweigen beide eine Weile.
Heiner muss sich auf die Fahrt konzentrieren. Auch wenn er schon mal hier war, so richtig sicher ist er sich mit dem Weg zurück nach O. nicht. Und überhaupt: Wenn er etwas hasst, dann ist es Autofahren im Regen, und das liegt nicht nur an seinen abgenutzten Scheibenwischern, die beim Hin- und Herschwingen leise, aber quälend deutlich quietschen. Heiner fährt einfach nicht gerne Auto. Wenn die Lampen eines entgegenkommenden Wagens an ihnen vorbeirauschen, hat er jedes Mal das Gefühl, dass die Straße viel zu eng ist.
Schließlich muss er vor einer roten Ampel halten. Eine kleine Atempause mitten im Nirgendwo. Heiner tauscht ein kurzes Lächeln mit der immer noch in sich gekehrten Steff.
»Du musst jetzt rechts fahren, das weißt du?«, sagt sie.
»Natürlich«, lügt Heiner und schaltet ertappt grinsend den Blinker um.
Auf einmal tauchen hinter ihm zwei grelle Scheinwerfer auf. Ein Wagen hält genau hinter ihnen. Da er etwas höher ist, kann Heiner nur seine
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