Traeum weiter, Mann
früher in O.
Verzweifelt versucht Heiner, das Gas noch weiter nach unten zu drücken. Tatsächlich schiebt sich der Wagen noch einmal mit einem kräftigen Schub nach vorne, so plötzlich, dass Heiner fast die Kontrolle über ihn verliert.
»Hoppla«, stößt er erschrocken heraus.
»Heiner, jetzt hör auf, das hast du doch gar nicht nötig. Außerdem hast du sowieso keine Chance mehr.«
»Das wollen wir doch mal sehen!«
»Heiner, fahr langsamer, bitte.«
Heiner sieht mit verkniffener Miene zu Steff, die jetzt doch tatsächlich Angst zu haben scheint. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie auf die nasse Landstraße, die sich jetzt in engen Kurven einen kleinen Berg zwischen einigen schlammigen Feldern hinaufzieht.
Steff hat Angst! Wegen ihm!
Heiner wird schockartig bewusst, was er hier tut. Er benimmt sich ja wie der letzte Proll! Wie konnte er sich von Schöning nur so provozieren lassen –
Plötzlich kommt der Wagen ins Rutschen. Eine Treckerspur auf dem Asphalt, Heiner hat sie viel zu spät gesehen. Verzweifelt versucht er gegenzusteuern, aber es ist zu spät. Steff schreit in Panik auf, als der Golf mit einem gequälten Heulen von der Straße über einen tiefen Graben hinweg ins Ungewisse springt.
Gleich wird es wehtun, denkt Heiner, als sie wie in Zeitlupe durch die Luft schweben.
18
Zwischenbild
mit Weihnachtsbäumen
Tonnen von Geröll und Eis aus dem Norden formten in einem jahrtausendelangen trägen Mahlstrom Hügel, Ufer und Seen. Lange Zeit gehörte die Landschaft sich selbst, bevor hier Menschen siedelten. Und sie wird wieder sich selbst gehören, wenn die Menschen einmal wieder verschwunden sind, die Landschaft wird sich nicht einmal an sie erinnern.
An diesem Nachmittag ergibt sich auf den Ablagerungen der Eiszeit folgendes Zwischenbild: Vier Menschen verharren stumm auf einer Ackerscholle im Regen, obwohl sie es nicht müssten. Ein junger Landwirt mit stoppelkurzen Haaren und kleinen braunen Augen, höchstens Mitte Zwanzig, steht neben der Führerkabine seines Treckers und raucht eine Selbstgedrehte. Er ist sehr dick und erstaunlich blass für jemand, der viel draußen arbeitet. Etwas weiter entfernt hockt Steff in Jeans und weißem langärmligen T-Shirt auf dem abgeernteten, regennassen Feld und blickt in die trübe Wolkenwand, die sie nicht weit schauen lässt. Sie sieht angegriffen aus, ihre Augen sind eingefallen, ihre Gesichtsfarbe ist kalkweiß. Deuters hat eine blasse Schramme auf der Stirn und kniet vor seinem VW-Golf, der vollkommen ramponiert ist. Deuters will nicht einsehen, dass der Wagen nur noch für den Schrottplatz taugt, er versucht verzweifelt, mit bloßen Händen den Kotflügel vom Reifen seines zerdepperten Golfs wegzuhebeln, um ihn wieder fahrbereit zu machen, was nicht gelingt. Das Blech gibt höchstens für Sekunden nach und schnellt dann in seine zerbeulte Form zurück.
Gerald ist der Einzige, der eine Regenjacke trägt, er holt einen Anorak aus dem Landrover und legt ihn Steff fürsorglich über die Schulter.
»Bitte«, sagt er.
Steff schnellt aus der Hocke in den Stand und schaut ihn dankbar an.
»Ich will hier weg.«
»Dann komm.«
Sie schauen beide zu Deuters, der außer seinem Wagen nichts mehr wahrzunehmen scheint. Ihm läuft der Schweiß von der Stirn, weil er den verbogenen Kotflügel auch mit aller Kraft nicht bewegt bekommt.
»Vergiss es, der ist Schrott«, brummelt der junge Bauer.
Deuters starrt ihn mit giftigem Blick an.
»Das wird ein juristisches Nachspiel haben«, zischt er.
Der Jungbauer lacht hämisch.
»Das will ich hoffen! Sie waren viel zu schnell und haben nicht aufgepasst.«
»Von wegen, die Schuld liegt eindeutig bei Ihnen.«
Der Bauer nimmt einen tiefen Zug aus seiner Filterlosen.
»Ich bin ganz normal Trecker gefahren! Ist das jetzt verboten, oder was?«
»Sie sind aus dem Feldweg geschossen, ohne zu gucken!«
Der Bauer grient sich einen. »Ich hab ja zum Glück eine Zeugin.«
Er hält einen ALDI-Kassenbon hoch, auf dessen Rückseite Steff ihre Adresse geschrieben hat. Deuters weiß nicht, was er darauf sagen soll, und wendet sich wieder dem Wagen zu.
Gerald geht zu Deuters hin, er will vor Steff nicht asozial erscheinen; sonst hätte er überhaupt kein Problem, ihn hier stehen zu lassen.
»Willst du mit?«, fragt Gerald lustlos.
Deuters schüttelt den Kopf.
»Nee, ich warte auf den Abschleppwagen, die sollen noch Beweisfotos machen.«
»Das hat die Polizei doch schon gemacht.«
»Doppelt hält besser.«
»Das
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