Traeum weiter, Mann
diese Jahreszeit sündhaft teuer sind und per Luftfracht aus Südafrika importiert wurden. Dazu landet in seinem Einkaufswagen eine Dose Fertigsahne und die teuerste Flasche Champagner, den der Supermarkt verkauft. In einem Wollladen neben dem historischen Rathaus kauft er sieben altweiße Altarkerzen, und im Lottoladen nebenan gönnt er sich eine dicke Havanna, die einzeln verpackt ist.
Dann fährt er nach Hause.
Was auf den ersten Blick nur eine mittelmäßig gute Idee ist. Von außen sieht das Haus schon ganz ansehnlich aus, das Dach ist fast fertig, aber der neue Holzfußboden ist immer noch mit Glasscherben übersät, genauso wie das Parkett vor dem Kamin immer noch angekokelt ist.
Aber der Whirlpool ist fertig, die SMS vom Klempner war nicht gelogen. Das terracottafarbene Becken steht auf einem Massivholzpodest mitten im Raum. So sollte es sein! Die Scherben knirschen unter den Sohlen seiner Cowboystiefel, als er dorthin schreitet. Er schaut sich im leeren Raum um und lächelt: Von so einem Wohnzimmer träumt die ganze Menschheit! Er wird hier bald unterm Reetdach sitzen, auf den knackenden Kamin starren und sich vom warmen Blubberwasser massieren lassen. So wird er geschmeidig und warm durch den düsteren norddeutschen Winter kommen. Zugegeben, dazu braucht es im Moment noch Phantasie, die Temperatur im Raum liegt bei höchstens zehn Grad.
Gerald dreht den Hahn auf und lässt warmes Wasser einlaufen. Dann geht er hoch auf den Dachboden, wo er seine Kompaktanlage sucht. Die schleppt er in zwei Gängen samt Boxen nach unten, holt den Laptop aus dem Wagen und schließt ihn an die Anlage an. Heute muss es Heavy Metal sein, harte Männermusik, er dreht den Ton voll auf: »Wherever I May Roam« von Metallica. Dann klettert er auf die kleine Treppe zum Whirlpool und zieht Stiefel und Hose aus. Als er nackt ist, schaut er sich um. Etwas fehlt noch. Gerald bückt sich und fischt sein Feuerzeug aus der Hose, die am Boden liegt. Damit zündet er die sieben weißen Altarkerzen an, die er rund um den Pool aufgestellt hat.
Das blubbernde Wasser empfängt ihn freundlich mit genau der richtigen Temperatur. Gerald lässt den Korken der Champagnerflasche gegen die Reetdecke knallen und setzt den Flaschenhals an den Mund, aus den Boxen dröhnt Metallica: »... Rover, wanderer, nomad, Wherever I May Roam, vagabond. Call me what you will – yeah!«
Genau sein Text.
Das Einzige, was ihn stört, ist der penetrante Geruch von frischem Zement. Aber dagegen hat er ja die Havanna, die eine Minute später alles um ihn herum vernebelt. Je mehr sich der Nachmittag dem Abend nähert, werfen die Kerzen bizarre Schatten ans Reetdach, die immer länger werden. Am Rand des Whirlpools stehen zwei Schalen frischer roter Erdbeeren, von denen er eine nimmt und mit Fertigsahne übersprüht.
Was soll ihm jetzt noch passieren?
Leider ist genau das sein Problem: Es wird nichts passieren. Nichts und niemand wird kommen!
Sein Herz fängt an zu rasen.
Erst bekommt Gerald seine Angst noch in den Griff, dann schießt sie wie eine Stahlkugel unter die Schädeldecke: Eine Frau wie Steff lernt man höchstens ein Mal im Leben kennen, und auch nur, wenn man sehr, sehr großes Glück hat. Natürlich ist er nicht mehr fünfzehn und weiß, dass alles auch ohne Steff irgendwie weitergeht.
Aber wer träumt schon von »irgendwie«?
Gerald isst noch ein paar Erdbeeren mit Schlagsahne aus der Sprühdose und spült mit Champagner nach. Er würde jetzt gerne unter Wasser etwas an sich herumspielen, aber da regt sich gar nichts. Trotz der Lautstärke von »Metallica« döst er etwas weg. Seine Träume wechseln wild hin und her zwischen fliegen können und hartem Absturz. Startpunkt ist immer die Steilküste. Dann wird es kalt an seinem Nacken, nackte Frosthände packen ihn von hinten, er steht wieder einmal kurz vorm Aufprall.
»Gerald?«, säuselt eine Stimme.
Es ist nicht eine Stimme, es ist Steffs Stimme. So, als sei sie wirklich da und nicht nur ein Traum! Gerald reißt die Augen auf. Steff kniet neben dem Whirlpool und fasst ihm an den Nacken.
»Hallo«, sagt er fast tonlos.
Es ist wirklich Steff!
In Blue Jeans und einer einfachen Bluse und einer derben Seemannsjacke, die ihr gar nicht steht, dazu hohe Stiefel.
»Was willst du?«, raunzt er sie ziemlich unfreundlich an und rutscht tiefer ins Wasser.
Steff erschrickt richtig. »Ich möchte mich entschuldigen.«
»Wofür?«
»Für meine Mutter. Die spinnt.«
»So so.«
»Mensch, Gerald, ich
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