Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)
verblassen lassen.
Sie starrte in die Dunkelheit und auf die noch dunkleren Schatten der Bäume. Die Bilder in diesen grauen Flächen faszinierten sie immer wieder. Wenn die dunklen Schemen sich vereinten, was war dann dort? Sie starrte auf die schwankenden Schatten und versteifte sich urplötzlich. Da war jemand – nein, etwas – in diesen Schatten, grau wie die Dunkelheit, und beobachtete sie still und reglos. Dann sah sie die Augen. Sie waren unbewegt, mitleidlos und tiefschwarz mit roten Flammen darin. Diese Augen waren auf sie gerichtet und markierten sie.
Sara fuhr herum, um zur Tür zu laufen, und das Herz blieb ihr fast stehen, denn das Ding bewegte sich mit schier unglaublicher Geschwindigkeit und landete auf der Veranda, bevor sie die Tür auch nur berühren konnte. Die Entfernung zwischen ihnen hatte fast zwölf Meter betragen, doch der Mann war so schnell, dass er sie noch mit seinen starken Händen packen konnte. Sara verschlug es den Atem, als ihr Körper mit seinem zusammenprallte. Ohne zu zögern, hob sie die Faust, um sie ihm gegen den Hals zu stoßen. Dann fuhr sie zurück und trat ihn gegen die Kniescheibe. Nur traf sie weder das eine noch das andere. Ihre Faust schoss an seinem Kopf vorbei, und er zog sie an sich und hielt ihre Handgelenke mühelos in einer seiner großen Hände fest. Er roch wild und gefährlich, und sein Körper war hart und unnachgiebig wie ein Baum.
Ihr Angreifer stieß die Eingangstür zu ihrem Zuhause, ihrem Zufluchtsort, auf, zog sie hinein und trat die Tür wieder zu, um nicht entdeckt zu werden. Sara kämpfte wie eine Wilde, schlug um sich und wehrte sich nach Kräften, obwohl sie beinahe völlig hilflos war in seinem Griff. Dieser Mann war stärker als jeder andere, dem sie je begegnet war. Sie hatte das entmutigende Gefühl, dass er sich ihrer heftigen Gegenwehr nicht einmal bewusst war. Außerdem konnte sie spüren, wie schnell ihre Kraft nachließ, und ihr Atmen hörte sich schon beinahe wie ein Schluchzen an. Es war schmerzhaft, gegen ihn anzugehen; ihr ganzer Körper fühlte sich schon wie zerschlagen an. Schließlich gab er einen ungeduldigen Laut von sich, stieß sie zu Boden, sodass ihr Körper unter ihm zu liegen kam, und hielt sie mit solch enormer Kraft fest, dass ihr keine andere Wahl mehr blieb, als ihren Blick zu dem Gesicht des Teufels … oder Engels zu erheben.
Kapitel zwei
S ara erstarrte, als sie in dieses Gesicht aufblickte. Für einen langen Moment schien die Zeit stehen zu bleiben. Saras Furcht ließ langsam nach, und an ihre Stelle trat ein ungläubiges Staunen. »Ich kenne dich«, flüsterte sie überrascht.
Ein wenig geistesabwesend verdrehte sie ihr Handgelenk, um es zu befreien, und Falcon löste den Griff um ihre Hände. So vorsichtig wie ein Künstler ein exquisites Werk berührte sie mit zwei Fingerspitzen sein Gesicht. Ihre Finger bewegten sich über seine Stirn und seine Wangen, als wäre sie blind und die Erinnerung an ihn nur in ihrem Herzen eingeprägt.
Ihr stockte der Atem, und Tränen schossen ihr in die Augen und verfingen sich in ihren Wimpern. Ihre zitternden Hände glitten zu seinem langen Haar und verloren sich in seiner dunklen Fülle. Dann hob sie zärtlich eine Hand voll dieser etwas mehr als schulterlangen Haare an und ließ die seidigen Strähnen durch ihre Finger rinnen. »Ich kenne dich tatsächlich.« Ihre leise Stimme verriet das ganze Ausmaß ihres sprachlosen Erstaunens.
Ja, sie kannte ihn, ihn und jede Einzelheit seiner markanten Züge. Diese schwarzen, eindringlichen Augen, die Fülle glänzenden blauschwarzen Haares, das ihm über die breiten Schultern fiel. Seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr war er ihr einziger Freund gewesen. Seit damals verbrachte sie jede Nacht mit ihm und trug ihn jeden Tag mit sich herum. Sein Gesicht, seine Worte, und seine Seele war ihr ebenso vertraut wie ihre eigene. Sie kannte ihn. Er war ihr dunkler Engel, ihr dunkler Traum. Sie kannte seine bestrickend schönen Worte, die eine Seele offenbarten, die trostlos und verwundbar, aber vor allem furchtbar einsam war.
Falcon war fasziniert von der Liebe und der geradezu verstörenden Tiefe des Gefühls, die er in ihren Augen sah. Sie glühte förmlich vor Glück und Freude, die sie nicht einmal zu verbergen versuchte. Ihre heftige Gegenwehr war einer absoluten Reglosigkeit gewichen, doch das war nicht das Einzige, was sich an ihr verändert hatte. Sie war jetzt durch und durch feminin, ihr Körper weich und einladend, und jede
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