Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)
ergriffen ihre und hinderten sie an jeglicher Bewegung. Wie zu einer Statue verschmolzen, lagen Falcon und Sara auf dem Boden, wo er völlig mühelos mit einem seiner Beine ihre Schenkel niederdrückte. Saras Lage war jetzt noch viel prekärer als zuvor, denn diesmal war das Messer zwischen ihnen. »Öffne die Augen«, befahl er leise.
Seine Stimme machte ihren Körper so weich und nachgiebig, dass sie beinahe protestierend aufgeschrien hätte. Seine Stimme war die eines Engels, genau wie sein Gesicht, und verbarg den Dämon in ihm. Ohne die Augen zu öffnen, schüttelte Sara verbissen den Kopf. »Ich will dich so nicht sehen.«
»Wie siehst du mich denn?«, fragte er neugierig. »Und woher kennst du mein Gesicht?« Er kannte ihr Herz und ihre Seele, doch wie sie aussah, hatte er nicht gewusst. Nicht einmal ihre Gedanken kannte er, weil er aus Höflichkeit darauf verzichtet hatte, in ihr Bewusstsein einzudringen. Falls sie jedoch auch weiterhin versuchte, ihn umzubringen, würde ihm gar keine andere Wahl bleiben, als es zu tun.
»Du bist ein Monster. Ich habe deinesgleichen gesehen und werde mich nicht täuschen lassen von dem Gesicht, das du zu tragen beschlossen hast. Es ist nur ein Trugbild, wie alles andere an dir.« Sara hielt die Augen noch immer fest geschlossen, weil sie sich nicht erneut in seinem hypnotischen Blick verlieren wollte. Außerdem könnte sie es nicht ertragen, in das Gesicht zu schauen, das sie so lange geliebt hatte. »Wenn du mich töten willst, nur zu. Bring es hinter dich«, sagte sie in resigniertem Ton.
»Wieso denkst du, ich könnte dir etwas antun wollen?« Seine Finger bewegten sich sanft um ihre Hand. »Lass das Messer los, piccola . Ich kann nicht zulassen, dass du dich selbst damit verletzt. Du kannst dich gegen mich nicht wehren; das ist schlicht unmöglich. Was zwischen uns ist, ist unvermeidlich. Also lass die Waffe los, bleib ruhig und lass uns die Sache anders klären.«
Sara öffnete langsam die Finger. Sie wollte das Messer ohnehin nicht, weil sie wusste, dass sie es niemals fertigbringen würde, es Falcon ins Herz zu stoßen. Ihr Verstand mochte es gutheißen, aber ihr Herz würde eine solche Grausamkeit nie dulden. Dennoch machte ihr Widerwille keinen Sinn. Sie hatte sich so sorgfältig auf einen solchen Moment vorbereitet, aber nun trug das Monster das Gesicht ihres dunklen Engels. Wie hätte sie sich überhaupt je auf ein solch unwahrscheinliches Geschehnis vorbereiten können?
»Wie heißt du?« Falcon nahm ihr das Messer aus den zitternden Fingern, ließ die Klinge mit dem Daumen zuschnappen und schleuderte die Waffe durch den Raum. Dann glitt seine flache Hand wieder zärtlich über ihre, um ihr die Anspannung zu nehmen.
»Sara. Sara Marten«, antwortete sie und wappnete sich innerlich, um in sein männlich schönes Gesicht blicken zu können. Es schien von Zeit, Integrität und Ehre perfekt geformt zu sein, doch Sara wusste, dass es nichts weiter als eine an künstlerischer Schönheit unübertreffliche Maske war.
»Mein Name ist Falcon.«
Sara riss verblüfft die Augen auf, weil sie den Namen kannte. Ich bin Falcon, und ich werde dich nie kennenlernen, aber ich habe dir ein Geschenk hinterlassen, ein von Herzen kommendes Geschenk. Sie schüttelte erregt den Kopf. »Das kann nicht sein.« Sie blickte ihm prüfend ins Gesicht, und wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. »Das kann nicht sein«, wiederholte sie. »Verliere ich den Verstand?« Möglich war es, vielleicht sogar unvermeidlich. Nur hatte sie eine solche Möglichkeit noch nicht bedacht.
Seine Hände umrahmten ihr Gesicht. »Du glaubst, ich sei ein Untoter, ein Vampir. Du hast schon einmal eine solche Kreatur gesehen«, stellte er ruhig fest und versuchte nicht einmal, es wie eine Frage klingen zu lassen. Denn natürlich war es so, wie er sagte, sonst hätte sie ihn niemals angegriffen. In jäher Furcht, die schon an Panik grenzte, begann sein Herz wie wild zu pochen. In all den Jahrhunderten seiner Existenz hatte er noch nie eine derartige Emotion gekannt. Sara war allein und schutzlos gewesen und der übelsten aller Kreaturen begegnet: Nosferatu .
Sie nickte langsam und beobachtete ihn aufmerksam. »Ich bin einem von ihnen viele Male entkommen. Einmal ist es mir sogar beinahe gelungen, ihn zu töten.«
Sara konnte das Zittern spüren, das Falcons kraftvollen Körper durchlief. »Du hast versucht, einen Vampir zu töten? Das ist eine der gefährlichsten Kreaturen auf dieser Erde«, sagte er
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